Rz. 35

Um diese langfristigen Mehrbelastungen für die anwaltliche Praxis zu vermeiden, werden vielfältige Überlegungen angestellt.

Aus juristischer Sicht ist dabei zu differenzieren zwischen

einer möglichen Aufhebung der Beiordnung des bisherigen Verfahrensbevollmächtigten (§ 48 Abs. 2 BRAO),
der Beiordnung eines neuen Verfahrensbevollmächtigten, die regelmäßig nur unter dem Blickwinkel vermeidbarer Kosten für die Staatskasse erörtert wird,
der Beendigung der Vollmacht des Anwaltes (Auswirkungen der Niederlegung des Mandates, Kündigung des Mandates, eingeschränkter Inhalt der Vollmacht),
den verfahrensrechtlichen Auswirkungen eines Erlöschens der Vollmacht,
und Vorkehrungen zur Einschränkung der Anwaltshaftung.

1. Aufhebung der Beiordnung

 

Rz. 36

Die Beiordnung des Anwalts gem. § 121 ZPO löst dessen Pflicht aus, im gerichtlichen Verfahren die Vertretung einer Partei zu übernehmen (§ 48 Abs. 1 BRAO). Ihn treffen ab dem Zeitpunkt der Beiordnung sämtliche Fürsorge-, Belehrungs- und Betreuungspflichten.[36] Er muss die bedürftige Partei, soweit mangels deren eigener Rechtskenntnis erforderlich, über die nun zu ergreifenden Maßnahmen und vor allem über die zu wahrenden Fristen zu belehren und so nach Kräften verhindern, dass ihr aus Rechtsunkenntnis Schaden entsteht.[37] Die Beiordnung umfasst die Tätigkeit als Verfahrensbevollmächtigter für die gesamte Instanz.

OLG Karlsruhe, Beschl. v. 2.6.2017 – 18 WF 302/14[38]

Zitat

Der beigeordnete Verfahrensbevollmächtigte kann sich der Mitwirkung im Überprüfungsverfahren nicht durch eine Mandatsniederlegung entziehen. Vielmehr bedarf es hierzu einer Entpflichtung nach § 48 Abs. 2 BRAO.[39] Mit dem Schutzbedürfnis des Mandanten, der regelmäßig nicht damit rechnet, im Überprüfungsverfahren selbst tätig werden zu müssen, wäre es nicht zu vereinbaren, wenn der Anwalt sich aus dem durch seine Beiordnung übertragenen Pflichtenverhältnis (§ 48 Abs. 1 BRAO) und den damit verbundenen Fürsorge-, Belehrung- und Betreuungspflichten einseitig lösen könnte.[40] Da eine Entpflichtung weder beantragt noch erfolgt war, musste dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gemäß § 172 ZPO die jetzt angegriffene Entscheidung zugestellt werden.

OLG Frankfurt, Beschl. v. 2.10.2017 – 8 WF 37/17

Zitat

Auch im Verfahrenskostenhilfe-Überprüfungsverfahren sind Zustellungen den Verfahrensbevollmächtigten vorzunehmen.

Die wirksame Zustellung gegen Empfangsbekenntnis setzt voraus, dass grundsätzlich der Zustelladressat persönlich die Entgegennahme des zuzustellenden Dokuments quittiert.

 

Rz. 37

Eine Niederlegung des Mandats durch einseitige Erklärung ist dem Prozessbevollmächtigten nach Beiordnung im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens verwehrt, er muss gem. § 48 Abs. 2 BRAO entpflichtet werden.[41] Mit dem Schutzbedürfnis des Mandanten, der regelmäßig nicht damit rechnet, im Überprüfungsverfahren selbst tätig werden zu müssen, wäre es nicht zu vereinbaren, wenn der Anwalt sich aus dem durch seine Beiordnung übertragenen Pflichtenverhältnis (§ 48 Abs. 1 BRAO) und den damit verbundenen Fürsorge-, Belehrung- und Betreuungspflichten einseitig lösen könnte.[42]

 

Rz. 38

Der Rechtsanwalt kann beantragen, die Beiordnung aufzuheben, wenn hierfür wichtige Gründe vorliegen (§ 48 Abs. 2 BRAO). Hier sind strenge Maßstäbe anzulegen.[43] Derartige Gründe wären nur bei einer nachhaltigen und tiefgreifenden Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen Mandant und Anwalt gegeben.[44] Es muss eine unbehebbare Störung des Vertrauensverhältnisses vorliegen, die dazu führt, dass die Zusammenarbeit im Rahmen des Mandatsverhältnisses in keiner Weise mehr gewährleistet ist.[45] Nicht ausreichend sind daher Schwierigkeiten der Kontaktaufnahme zum Mandanten.[46] Ebenfalls genügt nicht das alleinige Interesse des Anwalts, von den Lästigkeiten des Verfahrenskostenhilfe-Nachsorgeverfahrens verschont zu werden.

OLG Koblenz, Beschl. v. 10.10.2016 – 13 WF 957/16[47]

Zitat

Der Umstand, dass ein beigeordneter Rechtsanwalt keinen Kontakt zu seinem Mandanten hat, stellt keinen wichtigen Grund für die Entpflichtung des beigeordneten Rechtsanwalts dar.

Gegen die Ablehnung der Entpflichtung eines beigeordneten Rechtsanwalts ist die sofortige Beschwerde analog § 78c Abs. 3 ZPO statthaft.

 

Rz. 39

Ausreichender Grund ist auch die Kündigung des Mandats bzw. die Entziehung der Vollmacht durch den Mandanten.[48]

 

Rz. 40

Ob der Mandant selbst direkt bei Gericht die Aufhebung der Beiordnung beantragen kann, ist umstritten.[49]

Ein eigenständiger Antrag des Mandanten ist letztlich nicht erforderlich, wenn die Kündigung des Mandates und der Widerruf der Vollmacht durch den Mandanten den Anwalt dazu berechtigt, seine Entpflichtung nach § 48 Abs. 2 BRAO zu beantragen.

Entscheidend ist, dass der Anwalt einen entsprechenden Antrag auf Entpflichtung beim Gericht des Verfahrens stellen und die Entscheidung abwarten muss.[50]

 

Rz. 41

Ungeklärt ist aber, ob auch bei einem Entzug der Vollmacht bis zu seiner Entpflichtung die durch seine Bestellung als Verfahrenskostenhilfe-Anwalt begründeten ...

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