Rz. 247

 

Praxistipp

Auf Trennungsunterhalt kann weder ganz noch auch nur teilweise verzichtet werden (§§ 1361 Abs. 4 S. 4, 1360a Abs. 3, 1614 Abs. 1, 134, 397 BGB).

 

Rz. 248

Allerdings lässt das Gesetz der Vertragsgestaltung einen gewissen Spielraum für eine interessengemäße und situationskonforme Ausgestaltung des jeweiligen Unterhaltsanspruchs.[144]

Nichtigkeit liegt erst dann vor, wenn auf einen gewissen Prozentsatz des geschuldeten Trennungsunterhalts verzichtet bzw. eine entsprechende Grenze überschritten wird. Diese ist nicht gesetzlich vorgeschrieben, sondern ergibt sich aus der Rechtsprechung. Die Grenze liegt zurzeit bei etwa ⅔;[145] 20 % Unterschreitung können als grundsätzlich zulässig angesehen werden. Aufgrund der Verschiedenartigkeit der Einzelfälle kann ein genereller Maßstab jedoch nicht herangezogen werden.[146]

 

Rz. 249

Der gesetzgeberische Grund des § 1613 BGB liegt im Umstand, dass der Unterhaltsberechtigte nicht während der Trennungszeit seiner Lebensgrundlage beraubt wird und dadurch öffentlicher Hilfe anheimfällt.[147]

 

Rz. 250

 

Wichtig

Nach der neuen Rechtsprechung des BGH setzt die Beurteilung, ob sich die vertraglich festgelegte Unterschreitung noch innerhalb der zulässigen Grenzen bewegt, die Feststellung voraus, welcher Unterhalt überhaupt beansprucht werden kann. Das gilt auch für eine konkrete Bedarfsberechnung bei gehobenen Einkommensverhältnissen.

Die Höhe dieses angemessenen Unterhaltsanspruchs muss also im hierfür erforderlichen Umfang festgestellt werden. Sonstige ehevertragliche Regelungen, die dem Unterhaltsberechtigten zum Vorteil gereichen können, sind in die Prüfung nicht einzubeziehen, da die Wirksamkeit der Regelung des Trennungsunterhalts isoliert zu betrachten ist und durch Vereinbarungen zu anderen Gegenständen nicht berührt wird.[148]

 

Rz. 251

Ein Verzicht ist zwar ein Erlassvertrag gem. § 397 BGB, jedoch gelten die einschlägigen Vorschriften auch für andere Rechtsgeschäfte und rechtsgeschäftliche Erklärungen, z.B.

einen Vergleich,
einen Schiedsvertrag usw., der Entsprechendes regelt,[149]
einen Vollstreckungsverzicht,[150]
ein pactum de non petendo,,[151] vgl. hierzu auch Rdn 253 f.
eine Abfindung künftigen Trennungsunterhalts, auch für den Teil einer entsprechenden Klausel, die künftigen Trennungs- und nachehelichen Unterhalt betrifft,
eine erhebliche Stundung des Trennungsunterhaltsanspruchs,[152]
einen Verzicht gegen Freistellung von einer Verbindlichkeit,
eine Abrede über die Unveränderbarkeit,[153] wenn sich die Bedürftigkeit später erhöht,[154] insbesondere eine Erschwerung der Geltendmachung der Rechte aus §§ 238 f. FamFG,[155]
möglicherweise die Festschreibung einer niedrigen sog. relativen Sättigungsgrenze auch für den Fall des späteren Wechsels der örtlichen Gerichtszuständigkeit; die Frage ist höchstrichterlich noch nicht geklärt.
 

Rz. 252

Zulässig sind

Vereinbarungen über die Zweckbindung von Teilbeträgen,[156]
Vereinbarungen zur Konkretisierung der tatsächlich bestehenden Unterhaltspflicht,[157]
die faktische Nichtgeltendmachung ohne rechtsgeschäftliche Erklärung.[158]
 

Rz. 253

Ein pactum de non petendo liegt nicht nur in der Vereinbarung eines Nichtverlangens, sondern auch in der Vereinbarung einer zeitlichen Zahlungshöchstgrenze.[159]

 

Rz. 254

Allerdings kann ein grundsätzlich unzulässiges pactum de non petendo und damit überhaupt ein eigentlich unzulässiger Verzicht auf Trennungsunterhalt grundsätzlich zulässig sein, wenn gleichzeitig ein anderweitiger Unterhalt vereinbart wird, der nicht geschuldet ist, etwa lebenslanger nachehelicher Unterhalt unabhängig vom Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen.[160] Insoweit greift also eine unterhaltsrechtliche Gesamtbetrachtung. Eine Kompensation mit anderen Regelungsgegenständen als dem Unterhalt ändert allerdings nichts an der Unwirksamkeit des Verzichts.

 

Rz. 255

Ein faktischer Verzicht auf Trennungsunterhalt ist nach einer Entscheidung des OLG Saarbrücken zulässig, wenn ein bindender Abänderungsverzicht vereinbart wird.[161] Dies sei ein Fall der vertraglichen Risikoübernahme, sodass, wer erwerbsunfähig krank werde, sich nicht auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen könne. Im anschließenden Praxishinweis[162] heißt es, die Entscheidung entspreche der aktuellen Rechtsprechung des BGH zum vertraglichen Abänderungsverzicht.[163] Dies trifft jedoch möglicherweise nicht zu. Diese BGH-Rechtsprechung ist zu einem Scheidungsfolgenvergleich ergangen, für den § 1361 BGB nicht gilt. Die Entscheidung des OLG Saarbrücken betrifft jedoch einen Fall des Trennungsunterhalts und somit von §§ 1361 Abs. 4, 1360a, 1614 BGB. Diese Konstellation scheint näher am pactum de non petendo[164] beim Trennungsunterhalt zu liegen als beim Ehevertrag über nachehelichen Unterhalt.

 

Rz. 256

Ein Sonderfall wurde 2015 vom OLG Frankfurt entschieden: Liegen aufgrund der besonders guten Einkommensverhältnisse die Voraussetzungen für eine konkrete Bedarfsberechnung des Trennungsunterhalts vor, können die Ehegatten nach diese...

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