Rz. 30

Die Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bleiben während des Arbeitskampfes grundsätzlich unverändert bestehen. Deshalb bedarf die Kündigung eines Arbeitnehmers im Regelfall weiterhin des Verfahrens nach § 102 BetrVG bzw. § 103 BetrVG. Dies ist Folge des § 74 Abs. 2 BetrVG, der die Neutralitätspflicht des Betriebsrats (jedenfalls der Mandatsausübung[29]) in Bezug auf Arbeitskämpfe regelt.

 

Rz. 31

Die Rechtsprechung hat jedoch erkannt, dass den möglicherweise ebenfalls streikenden Betriebsräten mit den Beteiligungsrechten ein weiteres Druckinstrument gegen den Arbeitgeber zur Verfügung steht, um die Arbeitnehmerinteressen durchzusetzen. Da dies zu einer erheblichen Belastung des bestreikten Arbeitgebers bzw. einer Einschränkung seiner Handlungsfähigkeit (bspw. bei der Anordnung von Mehrarbeit für die nicht streikenden Arbeitnehmer über § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG) führen kann, entfallen die Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechte des Betriebsrats für Maßnahmen, die arbeitskampfrelevant oder -bedingt sind und mit denen der Arbeitgeber arbeitskampfbezogen tätig wird oder reagiert.[30] Dadurch unterfällt bspw. die Kündigung wegen Streikexzesses (also einer unverhältnismäßigen Streikmaßnahme) nicht der Mitbestimmung nach §§ 102, 103 BetrVG.[31] Dasselbe gilt bei einer arbeitskampfbedingten Versetzung arbeitswilliger Arbeitnehmer in einen bestreikten Betrieb.[32] Ob Notdienstmaßnahmen der Beteiligung des Betriebsrats unterliegen, ist im Übrigen streitig.[33]

[29] ErfK/Kania, § 74 BetrVG Rn 14.
[30] BAG v. 13.12.2011, NZA 2012, 571 = AP Nr. 176 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; BAG v. 22.12.1980, NJW 1981, 937 = BB 1981, 609; ErfK/Kania, § 74 BetrVG Rn 14.
[31] BAG v. 14.2.1978, NJW 1979, 236 = BB 1978, 1115.
[32] BAG v. 13.12.2011, NZA 2012, 571 = AP Nr. 176 zu Art. 9 GG Arbeitskampf.
[33] Vgl. hierzu ErfK/Kania, § 74 BetrVG Rn 15.

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