Rz. 223

Die Verwaltung des Nachlasses obliegt der Erbengemeinschaft (§ 2038 Abs. 1 S. 1 BGB). Die Verwaltung umfasst alle Handlungen, die von den Miterben mit Wirkung für den Nachlass zu dessen Erhaltung, Nutzung oder Mehrung vorgenommen werden.[1] Das kann Verpflichtungsgeschäfte, aber auch Verfügungsgeschäfte beinhalten. Auch die Begleichung von Nachlassverbindlichkeiten und die Beschaffung von Mitteln dafür durch Verkauf von Nachlassgegenständen oder Aufnahme von Krediten gehören zur Verwaltung,[2] wenn sie den oben genannten Zwecken dienen. Im Rahmen der Verwaltung sind die laufenden Geschäfte/ordnungsgemäße Verwaltung von der außerordentlichen Verwaltung zu unterscheiden; die letztgenannte liegt vor, wenn dringende Verwaltungsmaßnahmen/Notverwaltungsmaßnahmengetroffen werden müssen, um Schaden vom Nachlass abzuwenden. Für die Notverwaltungsmaßnahmen hat das Gesetz die Willensbildung und das Handeln der Miterben erleichtert (§ 2038 Abs. 2 S. 2 BGB; siehe Rdn 245 ff.). Von der Willensbildung zum Zwecke der Verwaltung des Nachlasses ist diejenige zwecks Auseinandersetzung des Nachlasses (Rdn 300 ff.) zu unterscheiden.

 

Rz. 224

Die Willensbildung innerhalb der Miterbengemeinschaft geschieht durch Abstimmung. Bei ordnungsgemäßer Verwaltung entscheidet die Stimmenmehrheit der Miterben (§§ 2038 Abs. 2 S. 1, 745 Abs. 1 S. 1 BGB), wobei sich das Stimmrecht nach der Größe der Anteile richtet (§ 745 Abs. 1 S. 2 BGB); dabei ist nach h.M. die Erbquote entscheidend, nicht ein rechnerisches Guthaben jedes Miterben, das sich z.B. nach Durchführung einer Ausgleichung (§§ 2050 ff. BGB) ergibt. Sogar Miterben, deren rechnerisches Guthaben Null beträgt (§ 2056 S. 2 BGB), weil sie vom Erblasser mehr ausgleichungspflichtige Vorempfänge erhalten haben als ihnen erbmäßig zukommt, sollen mitstimmen können; Grenze sei der Rechtsmissbrauch.[3] Die Gegenansicht[4] argumentiert zu Recht, dass der Missbrauchseinwand schwach ist, und die h.M. zu kaum haltbaren Ergebnissen führt. Nur dort, wo beweisbar feststeht, dass ein Miterbe bei der Auseinandersetzung nichts mehr bekommt, ist er demgemäß von der Abstimmung ausgeschlossen.

 

Beispiel

Die Miterbengemeinschaft besteht aus A zu ⅛, B zu ⅛, C zu ¼, D zu ¼, E zu ¼; E ist wegen seiner Ausgleichungspflichten bei der Verteilung des Nachlasses nicht mehr zu bedenken. Die Stimmenverteilung ergibt sich daraus wie folgt: A zu 1/6, also eine Stimme, B zu 1/6, also ebenfalls eine Stimme, C zu 2/6, also zwei Stimmen, D zu 2/6, also ebenfalls zwei Stimmen; insgesamt 6 Stimmen.

Wird ein Miterbe, z.B. der Minderjährige D, an einer Abstimmung nicht beteiligt oder nicht einmal zum Abstimmungsgegenstand (durch seine Eltern vertreten) angehört, so schadet dies nach h.M. der Gültigkeit des Beschlusses nicht, solange eine beschlussfähige Mehrheit vorhanden ist, die mit der absoluten Mehrheit der Stimmen einen Beschluss herbeiführt.[5] Denn es kam dann auf die Stimme des Minderjährigen D nicht an.

 

Rz. 225

Der Minderjährige wird auch in der Erbengemeinschaft von seinem gesetzlichen Vertreter vertreten, wobei Eltern sich intern einigen müssen, wie abzustimmen ist; notfalls muss das Familiengericht angerufen werden (§ 1628 BGB), wenn keine Einigung zustande kommt. Unterschiedliche Abstimmung von Vater und Mutter sind unzulässig und beide Stimmen nichtig (vgl. Rdn 58). Ist ein Elternteil selbst auch Miterbe, so steht einer Stimmabgabe für sich und zugleich – mit dem anderen Elternteil gemeinsam – auch für den Minderjährigen handelnd § 181 BGB grundsätzlich nicht entgegen. Die Rechtsprechung zur Personengesellschaft, wonach die §§ 1629 Abs. 2, 181, 1795 BGB bei Beschlussfassungen nicht anwendbar sind, wird hier sinngemäß herangezogen.[6] Man begründet dies mit einer teleologischen Reduktion des Wortlautes der Vorschriften §§ 181 und 1795 BGB: Diese wollen nur bei einem Interessengegensatz eingreifen; dieser fehle aber bei laufenden Angelegenheiten, da alle Beteiligten, trotz unterschiedlicher Auffassungen über das zweckmäßige und richtige Vorgehen, nur das Wohl der Gesellschaft – entsprechend hier der Erbengemeinschaft – wollen. Die unterschiedlichen Wege zum Wohl der Gemeinschaft würden keinen Interessengegensatz begründen. Eines der Motive für solche Auslegung ist: Man will Dauerpflegschaften, also Pflegschaften, die für die Zeit der Minderjährigkeit bei Beteiligung an einer Personalgesellschaft (bei mehreren Kindern jeweils ein anderer Pfleger) vermeiden.[7] Es gab einmal, vor ca. 40 Jahren, eine Zeit, wo wegen einer Rechtsprechung von BFH und BGH so vorgegangen werden musste; das führte zu einer Aufblähung und Bürokratisierung, die man heute gern vermeidet. Anzumerken bleibt aber, dass die Parallelität von Gesellschaft und Erbengemeinschaft zweifelhaft ist: jene ist auf Abwicklung, diese auf weitere Zusammenarbeit ausgelegt. Umso mehr kann man daran zweifeln, dass die Miterben sich am Wohl der Erbengemeinschaft und nicht am eigenen Wohl orientieren.[8] Sogar bei der Gesellschaft wird heute wieder der Interessengleich...

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