Rz. 74

Außer den titulierten Ansprüchen, aus denen die Gemeinschaft die Zwangsversteigerung betreibt, kann es noch weitere Hausgeldrückstände geben. Es ist sogar der Normalfall, dass nach der (ersten) Titulierung weitere Außenstände auflaufen. Die Gemeinschaft muss die weiteren Außenstände nicht zwangsläufig titulieren lassen. Denn bei der Erlösverteilung werden alle (nicht nur die titulierten) in Rangklasse 2 fallenden Hausgeldrückstände bis zur 5 %-Verkehrswertgrenze berücksichtigt; die Gemeinschaft muss die Ansprüche nur anmelden und glaubhaft machen (§ 45 Abs. 3 ZVG). Die titulierten Ansprüche, derentwegen die Zwangsversteigerung betrieben wird, gelten bereits als angemeldet und müssen daher später nicht mehr angemeldet und glaubhaft gemacht werden; es ist aber sinnvoll, sie in der Anmeldung nochmals mit aufzuführen. Die nicht titulierten Ansprüche müssen gesondert angemeldet und glaubhaft gemacht werden. Die Anmeldung entspricht inhaltlich einer Klagebegründung; trotzdem verdient ein damit beauftragter Rechtsanwalt keine 1,3-, sondern nur eine 0,4-Gebühr. Die Anmeldung muss bis spätestens im Versteigerungstermin vor der Aufforderung zur Abgabe von Geboten erfolgen (§§ 37 Nr. 4, 110 ZVG). Der passende Zeitpunkt ist aber vorher, z.B. nach Erhalt der Mitteilung des Vollstreckungsgerichts gem. § 41 Abs. 2 ZVG.[77] Eine verspätete, aber noch vor dem Verteilungstermin eingereichte Anmeldung ist zwar nicht wirkungslos, aber die Ansprüche werden nicht in Rangklasse 2 berücksichtigt; nur wenn nach Bedienung aller 8 Rangklassen des § 10 Abs. 1 ZVG noch etwas vom Erlös übrig ist, werden die nachgemeldeten Hausgeldansprüche (bis zur 5-%-Verkehrswertgrenze) zugeteilt.[78]

 

Rz. 75

Muster 9.7: Anmeldung von Ansprüchen in einem Zwangsversteigerungsverfahren

 

Muster 9.7: Anmeldung von Ansprüchen in einem Zwangsversteigerungsverfahren

9 K 26/21, Zwangsversteigerungsverfahren gegen Achim Acker

In o.g. Angelegenheit melde ich für unsere Mandantin, die WEG Heinestraße 12, 75234 Musterstadt, folgende Ansprüche in Rangklasse 2 (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG) an:

1. Mit dem Antrag/Beitritt bereits angemeldete Forderungen gem. Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Musterstadt vom 8.1.2021, Az.: 21–9634711–0–8

(Hauptforderung, ausgerechnete Zinsen aus der Hauptforderung – üblicherweise berechnet zum Stichtag 2 Wochen nach dem Versteigerungstermin –, verzinsliche Kosten, Zinsen aus den verzinslichen Kosten)

2. Für das Verfahren verauslagte Gerichtskosten (2.145,00 EUR).

3. Jahresabrechnung 2020, Nachschuss für die Wohnung Nr. 3 des Schuldners: 500,00 EUR.

Glaubhaftmachung: Einzeljahresabrechnung 2020 – Anlage A 1

Protokoll der WEG-Versammlung vom 27.5.2020, in welcher die Jahresabrechnung beschlossen wurde – Anlage A 2

4. Hausgeld (Vorauszahlungen auf den Wirtschaftsplan) für die Monate Januar – Dezember 2021, Januar bis Mai 2022, 5 Monate á 125,00 EUR: 625,00 EUR

Glaubhaftmachung: Einzelwirtschaftsplan 2021 – Anlage A 3

Protokoll der WEG-Versammlung vom 27.5.2021, in welcher der Wirtschaftsplan 2021 beschlossen wurde – Anlage A 4

Protokoll der WEG-Versammlung vom 20.5.2017, in der im Wege eines Dauerbeschlusses die Fortgeltung des Wirtschaftsplans bis zum Beschluss eines neuen festgelegt wurde – Anlage A 5

5. Rechtsanwaltsgebühren gemäß nachfolgender Berechnung:

Streitwert: _________________________ EUR (= Summe der angemeldeten Forderungen)

(0,4-Gebühr gem. 3311/1 VV für die Tätigkeit im Zwangsversteigerungsverfahren bis zur Einleitung des Verteilungsverfahrens und eine weitere 0,4-Gebühr gem. Nr. 3311/2 VV für die Tätigkeit im Verteilungsverfahren)

 

Rz. 76

Komfortabel erscheint die Situation für die Gemeinschaft, wenn andere Gläubiger die Zwangsversteigerung betreiben. Man könnte meinen, dass die Gemeinschaft sich in diesem Fall die Kosten der Titulierung sparen kann, indem sie ihre Hausgeldansprüche im Zwangsversteigerungsverfahren lediglich anmeldet, wozu der Verwalter in jedem Fall verpflichtet ist.[79] Die bloße Anmeldung (ohne Titulierung) hat aber einige Nachteile und ist deshalb nicht ratsam. Zunächst kann es sein, dass die von anderen Gläubigern beantragte Versteigerung erfolglos bleibt; das wird sogar meistens der Fall sein, weil die in das geringste Gebot fallenden Ansprüche der Gläubiger (aus Rangklassen 3 bis 8) im Normalfall höher als die Gebote sind. Nur wenn (auch) die Gemeinschaft mit ihren titulierten Forderungen aus Rangklasse 2 die Zwangsversteigerung betreibt, ist fast immer (ggf. erst im zweiten Termin) mit einem Zuschlag zu rechnen. Soweit die angemeldeten Ansprüche über die "5-%-Verkehrswertgrenze" hinausgehen, werden sie überhaupt nicht berücksichtigt; nur die privilegierten Hausgeldansprüche können angemeldet werden, andere Ansprüche bedürfen der Titulierung.[80] Vor allem aber kann die Gemeinschaft, die das Verfahren nicht selbst betreibt, eine Antragsrücknahme durch den betreibenden Gläubiger nicht verhindern. Und dazu kommt es häufig, denn der betreibende Gläubiger und der Schuldner können die Wohnung außerhalb des Versteige...

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