Rz. 223

Depressive Störungen sind eine weitere häufige Folge nach Verkehrsunfällen. Das depressive Syndrom ist gekennzeichnet durch gedrückte Stimmung, Interesseverlust, Antriebsmangel und schnelle Ermüdbarkeit. Die Betroffenen ziehen sich sozial zurück, schränken ihre Aktivitäten ein, leiden oft unter Schlafstörungen und Appetitmangel. Charakteristisch sind auch starke Schuldgefühle, Gefühle der Wertlosigkeit und Suizidgedanken bis hin zu suizidalen Handlungen.

 

Rz. 224

Für Außenstehende ist das Verhalten Depressiver häufig schwer nachvollziehbar oder führt zu Missverständnissen. So kann z.B. ein Nichteinhalten von Fristen oder fehlende Initiative des Geschädigten als mangelnde Bereitschaft ("Nicht-Wollen") interpretiert werden, ist aber eventuell im Rahmen einer Depression Ausdruck der Antriebsschwäche bzw. der geringen Belastbarkeit ("Nicht-Können"). Auch können juristische Auseinandersetzungen im Zuge der Schadensregulierung, die für die professionellen Beteiligten als normal empfunden werden, für depressiv Erkrankte eine massive Belastung darstellen, da sie den Betroffenen überfordern und starke Befürchtungen auslösen können (vgl. im Folgenden ausführlich Clemens/Hack/Schottmann/Schwab, a.a.O. S. 11 ff.).

 

Rz. 225

Ein ganz zentraler Punkt ist die Beschäftigung mit der Schuldfrage: Schuldgefühle sind typischerweise Teil des depressiven Syndroms, unabhängig davon, ob der Verunfallte im juristischen Sinne schuldig ist oder nicht. Schon Fragen der "Mithaftung aufgrund der Betriebsgefahr" eines Fahrzeugs nach § 7 StVG sollten daher nicht mit dem Begriff "Mitschuld" verwechselt, sondern dem Mandanten klar erläutert werden.

 

Rz. 226

Für alle diese Störungen gilt: Je früher sie adäquat behandelt werden, desto besser sind die Erfolgschancen. Zuerst ist hier an eine psychotherapeutische Behandlung zu denken; unter Umständen kommt auch eine medikamentöse Behandlung mit Antidepressiva in Betracht bzw. eine Kombination von beidem. Die damit verbundenen Behandlungskosten sind ein ersatzpflichtiger Schaden.

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