Rz. 93

Im Gegensatz dazu geht die Unterhaltsverpflichtung des Erblassers gegenüber einem geschiedenen Ehegatten als Nachlassverbindlichkeit auf den Erben über (§ 1586b Abs. 1 BGB). Allerdings haftet der Erbe nur bis zur Höhe des Betrages, der dem Pflichtteil entspricht, der dem unterhaltsberechtigten Ehegatten zustünde, wenn die Ehe nicht geschieden worden wäre (§ 1586b Abs. 1 S. 3 BGB). Zur Berechnung des fiktiven Pflichtteils ist vom Gesamtnachlass im Zeitpunkt des Todes des Erblassers, nicht im Zeitpunkt der Scheidung auszugehen. Güterrechtliche Besonderheiten sind nach § 1586a BGB nicht zu berücksichtigen. Der gesetzliche Erbteil bestimmt sich daher nur nach § 1931 Abs. 1 und 2 BGB (kleiner Pflichtteil).Eine Wiederverheiratung des Verpflichteten bleibt unberücksichtigt, dagegen sind weitere Pflichtteilsberechtigte – auch nach der Scheidung geborene Kinder – zu berücksichtigen.[89]

 

Rz. 94

Ob der Tod des Unterhaltsschuldners ein wichtiger Grund i.S.v. § 1585 Abs. 2 BGB ist, der dem Unterhaltsgläubiger das Recht gibt, eine Kapitalabfindung des Unterhalts verlangen zu können, ist ungeklärt. Es spricht aber vieles dafür. Aber nur der Gläubiger hat das Recht auf Abfindung, nicht auch der Erbe als Unterhaltsschuldner.

Zur Haftungshöchstsumme BGH im Urt. v. 29.11.2000:[90]

Zitat

"In die Haftungsgrenze des § 1586b Abs. 1 Satz 3 BGB sind (fiktive) Pflichtteilsergänzungsansprüche des Unterhaltsberechtigten gegen den Erben einzubeziehen."

 

Rz. 95

Dieses BGH-Urteil ist für die vielfältige prozessrechtliche und materiellrechtliche Problematik, die § 1586b BGB in sich birgt, unter mehreren Aspekten von Interesse:

Die Umschreibung eines gerichtlichen Vergleichs, der nachehelichen Ehegattenunterhalt regelt, nach §§ 795, 794 Abs. 1 Nr. 1, 727 ZPO auf den Erben des Unterhaltsschuldners wird als zulässig angesehen.
Die Abänderungsklage nach § 323 ZPO (und nicht zwingend die Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO) ist die richtige Klageart, mit der ein Erbe des Unterhalt schuldenden Ehegatten u.a. das Erreichen der fiktiven pflichtteilsgleichen Haftungssumme des § 1586b Abs. 1 S. 3 BGB geltend machen kann. Seit 1.9.2009 gelten für Unterhaltssachen die §§ 231 ff. FamFG, für die Abänderung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und Urkunden die §§ 238, 239 FamFG.
Die pflichtteilsgleiche Haftungssumme des § 1586b Abs. 1 S. 3 BGB umfasst auch einen fiktiven Pflichtteilsergänzungsanspruch des unterhaltsberechtigten geschiedenen Ehegatten.
Neben der Haftungsbegrenzung aus § 1586b Abs. 1 S. 3 BGB besteht die allgemeine Beschränkung der Erbenhaftung auf den Nachlass mit dem prozessualen Haftungsbeschränkungsvorbehalt des § 780 ZPO.
Der Haftungsbeschränkungsvorbehalt des § 780 ZPO steht nicht nur dem Beklagten eines Prozesses zu, sondern kann auch – je nach Prozess-Situation – vom Kläger geltend gemacht werden.
[89] Palandt/Brudermüller, § 1586b Rn 7.
[90] BGH NJW 2001, 828 = ZEV 2001, 113 = FamRZ 2001, 282.

aa) Zulässigkeit der Rechtsnachfolger-Umschreibung eines Unterhaltstitels auf Schuldnerseite

 

Rz. 96

Eine Titelumschreibung ist nur zulässig, wenn der titulierte gegen den Erblasser gerichtete Anspruch sich auch gegen den/die Erben richtet.

In der Literatur war lange umstritten, ob zwischen dem nachehelichen Ehegatten-Unterhaltsanspruch nach §§ 1569 ff. BGB einerseits und dem gegen die Erben gerichteten Anspruch des geschiedenen Ehegatten aus § 1586b BGB materiellrechtliche Identität in dem Sinne bestehe, dass es sich um gleiche Ansprüche und damit im Prozess um die gleichen Streitgegenstände handle. Der BGH hat die Streitfrage nunmehr in dem Sinne geklärt, dass die Ansprüche identisch sind. Der BGH entschied zur Umschreibung eines Titels im Zusammenhang mit nachehelichem Unterhalt bei § 1586b BGB im Beschl. v. 4.8.2004:[91]

Zitat

Die Möglichkeit der Umschreibung eines Titels über nachehelichen Unterhalt nach § 727 ZPO auf den Erben entspricht dem Willen des Gesetzgebers, eine dauerhafte Sicherung des Unterhaltsberechtigten über den Tod des Pflichtigen hinaus zu schaffen.

Die Rechtsnatur der auf den Erben nach § 1586b BGB übergegangenen Unterhaltspflicht ändert sich nicht; es können sich allenfalls die Höhe der Unterhaltsverpflichtung und der Haftungsumfang ändern.

Ein gegen den Erblasser bestehender Unterhaltstitel kann damit auf den oder die haftenden Erben nach § 120 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 727 ZPO umgeschrieben werden.[92]

[92] Anders aber hinsichtlich eines Titels zum Trennungsunterhalt OLG Köln BeckRS 2011, 18173.

bb) Abänderungsklage des/der unterhaltspflichtigen Erben wegen Erreichens der Haftungshöchstsumme

 

Rz. 97

Die Streitfrage, ob das Erreichen der Haftungssumme in Höhe des fiktiven Pflichtteils von den Erben des Unterhaltsschuldners im Wege der Vollstreckungsgegenklage oder der Abänderungsklage geltend zu machen ist, wurde im Urteil des BGH vom 28.11.2000[93] offen gelassen und die Zulässigkeit einer Abänderungsklage jedenfalls dann bejaht, wenn der Titel gegen den Erben umgeschrieben wurde und sich der Kläger auf typische Abänderungsgründe beruft (vgl. die Formulierung: "Abänderungs- und Vollstreckungsgegenklagen an nicht einfachen Abgrenzungsfragen scheitern zu lassen, erschein...

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