Rz. 465

Gegenstände, die ein Schuldner vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens veräußert hat, gehören grundsätzlich nicht zur Insolvenzmasse. Um aber zu vermeiden, dass der Schuldner noch vor der Insolvenzeröffnung Vermögen beiseiteschafft oder sich einzelne Gläubiger im Wege der Einzelvollstreckung Vorteile verschaffen, sieht die Insolvenzordnung die Möglichkeit der Insolvenzanfechtung vor. Bestimmte Rechtshandlungen können damit rückgängig gemacht und Vermögen der Masse wieder zugänglich gemacht werden.

 

Rz. 466

Anfechtbarkeit unentgeltlicher Leistungen:

Nach § 134 InsO ist jede unentgeltliche Leistung des Schuldners (auch ohne Benachteiligungsabsicht) anfechtbar, es sei denn, sie wurde früher als vier Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen. Betroffen sind das Schenkungsversprechen und der Schenkungsvollzug, so dass auch eine Übergabe als letzter Akt des dinglichen Rechtsgeschäfts innerhalb der 4-Jahres-Frist anfechtbar ist.[452] In Betracht kommen häufig auch Lebensversicherungen. War ein Bezugsrecht widerruflich eingeräumt, erlangt der Begünstigte erst mit dem Versicherungsfall, also dem Todesfall, eine dingliche Rechtsstellung. Die Auszahlung der Versicherungssumme ist dann als unentgeltliche Leistung anfechtbar.[453] Im Falle des unwiderruflichen Bezugsrechts entsteht die Berechtigung des Begünstigten mit der Einräumung. Auch wenn dieser Zeitpunkt mehr als vier Jahre zurückliegt, kann der Insolvenzverwalter noch die im Vier-Jahres-Zeitraum geleisteten Prämien anfechten.[454]

 

Rz. 467

Im Falle der Gläubigerbenachteiligungsabsicht kann auch eine unentgeltliche Leistung wie jede andere Rechtshandlung nach § 133 Abs. 1 InsO angefochten werden, wenn sie binnen der letzten zehn Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurde. Dabei genügt jede mittelbare Benachteiligung, z.B. der Verkauf eines Grundstücks unter Wert. Bedingter Vorsatz des Schuldners ist ausreichend. Allerdings ist auch die Kenntnis des Anfechtungsgegners erforderlich. Bei Verträgen mit einer nahe stehenden Person werden sowohl der Benachteiligungsvorsatz des Schuldners als auch die Kenntnis des Gegners gem. § 133 Abs. 2 InsO vermutet, sofern die Rechtshandlung innerhalb der letzten zwei Jahre vor dem Insolvenzantrag stattgefunden hat.

 

Rz. 468

Hat der Erbe vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus dem Nachlass Pflichtteilsansprüche, Vermächtnisse oder Auflagen erfüllt, so sind auch diese Rechtshandlungen nach § 322 InsO anfechtbar. Diese Vorschrift trägt den Regelungen der §§ 1991 Abs. 4, 327 InsO Rechnung, wonach Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsansprüchen, Vermächtnissen oder Auflagen bei nicht ausreichenden Nachlass nach anderen Verbindlichkeiten zu erfüllen sind (Rangfolge der Forderungen).

 

Rz. 469

Weitere (allgemeine) Anfechtungstatbestände finden sich in den §§ 130 ff. InsO. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um

§ 130 InsO (konkruente Deckungsgeschäfte): Die Sicherung oder Befriedigung des Gläubigers muss objektiv in den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzeröffnungsantrag bzw. nach diesem vorgenommen worden sein, wobei zu diesem Zeitpunkt bereits Zahlungsunfähigkeit des Schuldners vorliegen musste. Außerdem ist erforderlich, dass der Gläubiger die Zahlungsunfähigkeit bzw. den Eröffnungsantrag kannte (beachte Beweiserleichterungen § 130 Abs. 2 und 3 InsO).
§ 131 InsO (inkonkruente Deckungsgeschäfte): Umfasst sind Sicherungs- oder Befriedigungshandlungen in den letzten drei Monaten vor Insolvenzeröffnungsantrag, die der Gläubiger nicht in dieser Art oder nicht zu dieser Zeit verlangen konnte (wenn sie im letzten Monat vor Insolvenzantrag vorgenommen wurden kenntnisunabhängig, in den zwei vorangehenden Monaten ist zusätzlich Kenntnis des Gläubigers von der Zahlungsunfähigkeit erforderlich).
Rechtshandlungen, die nicht von §§ 130 ff. InsO erfasst werden, aber zu einer unmittelbaren Benachteiligung der Insolvenzgläubiger führen, sind nach § 132 InsO entsprechend § 130 InsO anfechtbar.
§ 133 Abs. 1 InsO (Absichtsanfechtung aus vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung): Solche Handlungen sind anfechtbar, soweit sie in einem Zeitpunkt innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Eröffnungsantrag bzw. danach bis zur Verfahrenseröffnung vorgenommen wurden und der Gläubiger die Benachteilungsabsicht kannte (Beweiserleichterung des § 133 Abs. 1 S. 2 InsO).
§ 133 Abs. 2 InsO (mit nahestehenden Personen geschlossene entgeltliche Verträge): Sie sind anfechtbar, wenn sie in den letzten zwei Jahren vor Insolvenzeröffnungsantrag geschlossen und Insolvenzgläubiger hieraus unmittelbar benachteiligt wurden, es sei denn, die Gläubigerbenachteiligungsabsicht war für den anderen Teil nicht erkennbar.
§ 134 InsO (unentgeltliche Leistungen): Sofern sie in den letzten vier Jahren vor Insolvenzeröffnungsantrag vorgenommen wurden (siehe ausführlicher hierzu oben Rdn 466).
§ 135 InsO umfasst Rechtshandlungen, die zur Sicherung oder Befriedigung einer Forderung aus Kapitalersatz führten (Gesellschafterda...

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