a) Eigenvermögen und Erbteil

 

Rz. 329

§ 2059 Abs. 1 S. 2 BGB regelt nicht nur die Frage, ob ein Miterbe mit seinem gesamten Eigenvermögen haftet, sondern auch die zweite Frage, ob er damit für die volle Nachlassverbindlichkeit einstehen soll oder nur für einen seinem Erbteil entsprechenden Teil.

Da der Miterbe gem. § 2059 Abs. 1 S. 1 BGB bis zur Teilung nur beschränkt haftet, lässt ihn das Gesetz bei Verlust der Haftungsbeschränkungsmöglichkeit mit dem Eigenvermögen nur in Höhe des Teils der Nachlassverbindlichkeit haften, die seinem Erbteil entspricht.

Haftet also ein Miterbe für eine Nachlassverbindlichkeit unbeschränkt (bspw. infolge Inventaruntreue), so erweitert sich die Haftungsgrundlage für den Nachlassgläubiger: Bezüglich eines seinem quotenmäßigen Anteil am Nachlass entsprechenden Teils der Verbindlichkeit haftet auch das Privatvermögen des Miterben, § 2059 Abs. 1 S. 2 BGB. Der Nachlass haftet daneben ohnehin nach § 2059 Abs. 2 BGB.

 

Rz. 330

 

Beispiel

Die Nachlassverbindlichkeit beträgt 30.000 EUR; der Miterbe, der unbeschränkt haftet, ist mit einer Quote von einem Drittel am Nachlass beteiligt. Der Miterbe muss, wenn er nicht in voller Höhe auch mit seinem Eigenvermögen haften will, einen Vorbehalt nach § 780 ZPO in das Urteil aufnehmen lassen, der wie folgt lauten könnte:

"Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger den Betrag von 30.000 EUR zu zahlen. Hinsichtlich des Teilbetrages von 20.000 EUR wird ihm die Herbeiführung der Haftungsbeschränkung auf den Nachlass des am (…) verstorbenen (…) vorbehalten."

 

Rz. 331

Die anteilige Haftung gilt aber nach § 2059 Abs. 1 S. 2 BGB nur für das Eigenvermögen des Erben ohne den Erbteil. Für die Haftung des Erben mit seinem Erbteil verbleibt es bei der Regel des § 2058 BGB: Der Miterbe haftet mit seinem Erbteil den Nachlassgläubigern auch schon vor der Teilung gesamtschuldnerisch.

b) Rechte des Nachlassgläubigers

 

Rz. 332

Dem Nachlassgläubiger stehen bis zur Nachlassteilung zwei Vermögensmassen zur Verfügung:

der Nachlass als Gesamthandsvermögen und
das Eigenvermögen des Erben, in das auch der Erbteil des Miterben am Nachlass gefallen ist.

Der Nachlassgläubiger kann Erfüllung aus dem ungeteilten Nachlass im Wege der Gesamthandsklage verlangen (§ 2059 Abs. 2 BGB) oder aber einen Miterben als Gesamtschuldner in Anspruch nehmen (Gesamtschuldklage nach § 2058 BGB).

aa) Gesamthandsklage

(1) Erfordernis eines Titels gegen alle Erben

 

Rz. 333

Da der Nachlassgläubiger letztlich eine Vollstreckung in das Gesamthandsvermögen "Nachlass" beabsichtigt, ist die Klage gegen alle Gesamthänder, also alle Miterben, zu richten (Gesamthandsklage, § 747 ZPO). Die Miterben sind aber keine notwendigen Streitgenossen nach § 62 ZPO. Haben einzelne Miterben ihre Zustimmung dazu erteilt, dass die Forderung des Nachlassgläubigers aus dem Nachlass erfüllt wird, so würde einer Klage auch gegen diese Miterben das Rechtsschutzbedürfnis fehlen; es brauchen also nur die "unwilligen" Miterben verklagt zu werden.[326]

 

Rz. 334

Wird die Übereignung eines Nachlassgegenstands (bspw. eines Vermächtnisgrundstücks) geschuldet, so führt allerdings nur die Gesamthandsklage zum Ziel, weil nur alle Erben als gemeinsam Verfügungsberechtigte nach § 2040 Abs. 1 S. 1 BGB den Anspruch auch erfüllen können. Da bezüglich des geltend gemachten Anspruchs (bspw. auf Vermächtniserfüllung) die Beklagten als Gesamthandsschuldner haften (§§ 2174, 2058, 2040 BGB), handelt es sich um eine notwendige Streitgenossenschaft gem. § 62 ZPO,[327] weil eine Gesamthandsschuld vorliegt, § 2059 Abs. 2 BGB. Ansonsten begründet der Passivprozess gegen Gesamthänder grundsätzlich keine notwendige, sondern lediglich eine einfache Streitgenossenschaft.[328]

Sind einzelne Miterben bereit, die entsprechenden Rechtshandlungen (bspw. Auflassungserklärung) vorzunehmen, so brauchen sie nicht verklagt zu werden, weil auch insoweit das Rechtsschutzbedürfnis fehlen würde.

 

Rz. 335

Muster 9.22: Klageantrag auf Zustimmung zur Auflassung und Herausgabe eines Grundstücks

 

Muster 9.22: Klageantrag auf Zustimmung zur Auflassung und Herausgabe eines Grundstücks

1. Die Beklagten werden verurteilt, der Übertragung des Grundstücks _________________________, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts _________________________ für _________________________, Band _________________________, Heft _________________________, Gemarkung _________________________, BV Nr. _________________________, Flst. Nr. _________________________, Größe: _________________________, auf den Kläger zuzustimmen und die Eintragung des Klägers als Eigentümer im Grundbuch zu bewilligen.

2. Die Beklagten werden weiter verurteilt, das zuvor in Ziff. 1 bezeichnete Grundstück in geräumtem Zustand an den Kläger herauszugeben.[329]

[326] BGH NJW 1982, 441 ff.; BGH WM 1994, 2124 ff.
[327] RGZ 157, 33.
[328] BGHZ 23, 73.
[329] Ausführliches Muster mit Begründung z.B. in Krug/Rudolf/Kroiß/Bittler, Anwaltformulare ErbR, § 11 Rn 402.

(2) Differenzierung nach Art der geschuldeten Leistung

 

Rz. 336

Für die einzelnen Klaganträge ist zu differenzieren nach der Art der geschuldeten Leistung:

Bei Geldschulden, die sich gegen den Nachlass richten, ist eine Verurteilung zur Duldung der Zwangsvollstreckung in...

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