Rz. 56
Regelungen zur Beurteilung der Eignung sowie zur Problematik der Betäubungsmittel sowie anderer psychoaktiv wirkender Stoffe und Arzneimittel enthält die Anlage 4 der FeV unter Nr. 9. Ebenso ergeben sich Eignungsaussagen aus den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung unter Abschnitt 3.14.
I. Die verstärkte Drogenproblematik
Rz. 57
Festzustellen ist, dass die Einnahme von Betäubungsmitteln und anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen, also die Einnahme von Drogen, im Zusammenhang mit dem Führen von Kraftfahrzeugen in starkem Maße zugenommen hat. Häufig wird dies auch noch verstärkt in Verbindung mit Alkohol.[42]
Rz. 58
Die verkehrsbezogene Gefährlichkeit der Einnahme einer bestimmten Droge ist quantitativ bisher noch nicht sicher nachgewiesen.[43] Auch die Rechtsprechung ist uneinheitlich, insbesondere was die Frage der Nachweis- und Wirkdauer sowie die Abbauzeiten angeht. Bode/Winkler[44] stellen fest, dass zur Beurteilung der Kraftfahreignung in Bezug auf Drogenkonsum verschiedene Fragen zu klären sind, nämlich:
Rz. 59
▪ | Handelt es sich um einen singulären Konsum im Probierstadium? |
▪ | Wurde unter Drogeneinfluss ein Kraftfahrzeug benutzt? |
▪ | Liegen wiederholte Delikte im Zusammenhang mit Drogen vor? |
▪ | Sind Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit oder Persönlichkeitsstörungen zu beobachten? |
▪ | Besteht eine Neigung zum kombinierten Konsum von Drogen und Alkohol? |
▪ | Ist der Betroffene drogenabhängig? |
▪ | Hat er schon einmal eine Entwöhnungsbehandlung wegen Drogenmissbrauchs absolviert? |
II. Kontrollen und Maßnahmen der Polizei
1. Mögliche Verdachtsmomente auf Medikamenten- oder Drogeneinfluss
Rz. 60
Typische Ausfallerscheinungen oder unerklärliche Fahrfehler sind mögliche Indizien für Medikamenten- und Drogeneinnahme. Dies gilt insbesondere, wenn Alkoholeinwirkung auszuschließen ist, etwa nach einem vorangegangenen Atemalkoholtest.[45] Weitere Indizien sind körperliche Auffälligkeiten, etwa gerötete Augen.[46] Allerdings sind Feststellungen zu vermeintlich drogenbedingten Symptomen von Anwaltsseite stets kritisch zu hinterfragen: Es erschließt sich nämlich ohne weiteres, dass Feststellungen wie Nervosität, Müdigkeit zu später Stunde oder aber Unsicherheiten bei Finger-Finger- bzw. Finger-Nase-Tests auch auf die Kontrollsituation selbst zurückzuführen sein können. Gerötete Augen oder ein trockener Mund können drogenbedingt sein, sie allein belegen jedoch keine relative Fahruntüchtigkeit. Die Gesamtschau entscheidet, ob wegen einer Ordnungswidrigkeit oder einer Straftat ermittelt oder geahndet wird. Es ist stets angezeigt, im Falle eines positiven Drogentests den Versuch zu unternehmen, die gemessenen Werte zu den von polizeilicher Seite festgehaltenen Ausfallerscheinungen ins Verhältnis zu setzen und diese auf Plausibilität hin zu prüfen. Helfen kann oft auch ein Vergleich des Polizeiberichtes mit den Feststellungen des die Blutentnahme durchführenden Rechtsmediziners.
2. Maßnahmen bei Verdacht
Rz. 61
Ergibt sich bei einem Polizeibeamten im Rahmen einer Verkehrskontrolle ein Verdacht, der Betroffene könne unter Drogen gefahren sein, so bieten sich verschiedene Arten von "Drogenschnelltests" an. In der Erprobung und teilweise im praktischen Einsatz finden sich:
▪ | Schweißtest, |
▪ | Speicheltest, |
▪ | Urinprobe.[47] |
Rz. 62
Zu beachten ist jedoch der Grundsatz "nemo tenetur". Kein Betroffener ist verpflichtet, an seiner eigenen Überführung mitzuwirken. Somit kommt bei einem Widerspruch des Betroffenen lediglich die Entnahme einer Schweißprobe in Betracht. Speichelproben und Urinproben sind ohne ausdrückliche Einwilligung des Betroffenen hingegen nicht möglich.[48] Außerdem können diese Untersuchungen in straf- und bußgeldrechtlicher Hinsicht eine Blutprobe nicht ersetzen.[49]
3. Mögliche Maßnahmen der Polizei
Rz. 63
Zunächst ist zu beachten, dass bei allen Maßnahmen der Polizei eine Belehrungspflicht besteht gemäß § 136 StPO. Prozessual stellt sich im Einzelfall die Frage, ob Erklärungen des Betroffenen ohne Belehrung im Strafverfahren nutzbar sind.[50]
III. Beurteilung der "Eignung" und der "Ungeeignetheit" nach FeV und Begutachtungs-Leitlinien
Rz. 64
Nach Nr. 9 der Anlage 4 der FeV sind Eignung und bedingte Eignung zu verneinen bei "Abhängigkeit von Betäubungsmitteln i.S.d. Betäubungsmittelgesetzes oder von anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen". Eignung ist zu verneinen nach Nr. 9.4 der Anlage 4 der FeV bei "missbräuchlicher Einnahme" (regelmäßiger übermäßiger Gebrauch) von psychoaktiv wirkenden Arzneimitteln und anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen.[51]
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