Rz. 196

Das Nachverfahren stellt sich zunächst als ordentliches Erkenntnisverfahren dar, in dem nun jedoch dem Beklagten alle Beweismittel der ZPO offen stehen, um den mit dem Vorbehaltsurteil titulierten Anspruch wieder zu Fall zu bringen. In gleicher Weise steht es dem Kläger offen, mit allen Möglichkeiten des Erkenntnisverfahrens den Einwendungen des Beklagten gegen den im Vorbehaltsurteil titulierten Anspruch entgegenzutreten.

 

Rz. 197

Jedoch ergeben sich je nach dem Verlauf und der Prüfungen des Prozessgerichts im Vorverfahren bestimmte Besonderheiten. So sind einzelne Streitfragen durch das Vorverfahren zunächst auch für das Prozessgericht im Nachverfahren bindend entschieden. So hat der BGH[200] entschieden, dass ein Vorbehaltsurteil im Urkundenprozess insoweit Bindungswirkung für das Nachverfahren entfalte, als es nicht auf den eigentümlichen Beschränkungen der Beweismittel im Urkundenprozess beruhe. Daraus folge, dass diejenigen Teile des Streitverhältnisses, die im Vorbehaltsurteil beschieden werden mussten, damit es überhaupt ergehen konnte, als endgültig beschieden dem Streit im Nachverfahren entzogen seien.

 

Rz. 198

Im Nachverfahren ist das Gericht an seine Entscheidung im Urkundenverfahren insoweit gebunden, als es die Zulässigkeit und die Schlüssigkeit der Klage angenommen hat.[201] Unzulässig sind damit im Nachverfahren die Einwendungen,

der Kläger habe den unrichtigen Rechtsweg gewählt,
der Urkundenprozess sei nicht statthaft gewesen,
der ordentliche Gerichtsweg sei aufgrund einer Schiedsgerichtsabrede ausgeschlossen,[202]
dem Kläger oder dem Beklagten habe im Ausgangsverfahren die Prozessfähigkeit gefehlt,
die Klage sei unschlüssig,
die den Anspruch begründenden AGB seien unwirksam.

Der Bundesgerichtshof hat sodann anerkannt, dass ein Beklagter, der die Echtheit seiner Unterschrift im Urkundenprozess nicht bestritten hat, dies im Nachverfahren wirksam nachholen kann, weil im Urkundenprozess für das Gericht noch kein Anlass bestand, die Echtheit der Unterschrift zu prüfen.[203] Dasselbe gilt dann, wenn das Gericht im Urkundenprozess deshalb nicht in eine Prüfung der Echtheit der Unterschrift eingetreten ist, weil es das Bestreiten des Beklagten als nicht ausreichend und die Echtheit der Unterschrift daher als zugestanden angesehen hat.[204]

 

Rz. 199

 

Hinweis

Will der Beklagte in den Fällen der Bindung an den Ausgangsprozess eine Verurteilung vermeiden, so muss er das Vorbehaltsurteil im Wege der Berufung angreifen, da das Gericht seine diesbezüglichen Einwendungen im Nachverfahren wegen der Bindungswirkung des Vorbehaltsurteils sonst zurückweisen müsste.[205] Die Beschränkungen neuen Vorbringens im Berufungsverfahren nach §§ 529, 531 ZPO können sich hier allerdings als weitere Hindernisse bei der Reparatur eines unzureichenden Ausgangsvortrages darstellen.

 

Rz. 200

Das Ausgangsgericht ist auch gebunden, soweit es Einwendungen des Beklagten im Vorbehaltsurteil bereits als unschlüssig oder unbegründet zurückgewiesen hat.[206] Auch in diesem Fall muss der Beklagte also zunächst Berufung gegen das Vorbehaltsurteil einlegen, um Rechtsnachteile zu vermeiden. Anderes gilt allerdings dann, wenn der Beklagte die Einrede auf neue Tatsachen oder aber auf neue Beweismittel stützen kann.

 

Rz. 201

 

Tipp

Auch wenn der Beklagte gegen das Vorbehaltsurteil Berufung eingelegt hat, ist der Kläger nicht gehindert, das Nachverfahren in Gang zu setzen. Dies empfiehlt sich insbesondere dann, wenn neben den Berufungsgründen mit weiteren Einwendungen des Beklagten zu rechnen ist, sodass dieser nicht nur im Berufungsverfahren eventuell eine Einstellung der Zwangsvollstreckung erreichen könnte, sondern nach der Zurückweisung der Berufung auch noch im Nachverfahren. Auch wird so die Frist verkürzt, in der der Gläubiger wegen der allein vorläufigen Vollstreckbarkeit des Vorbehaltsurteils mit einem möglichen Schadensersatzanspruch nach § 717 Abs. 2 ZPO rechnen und hierfür Vorsorge treffen muss.

 

Rz. 202

Im Übrigen kann der Beklagte im Nachverfahren

alle Einwendungen vorbringen, die im Vorverfahren wegen der Beschränkung der Beweismittel nach § 598 ZPO zurückgewiesen wurden;
alle Einwendungen geltend machen, auf deren Vortrag er im Vorverfahren verzichtet hat;
 

Rz. 203

 

Hinweis

"Neue" Angriffs- und Verteidigungsmittel können mithin als solche nicht als verspätet zurückgewiesen werden.[207]

 

Rz. 204

Widerklage erheben, da für das Nachverfahren die Sperre des § 595 Abs. 1 ZPO nicht mehr gilt.
 

Rz. 205

 

Tipp

Die Erhebung der Widerklage empfiehlt sich – z.B. gegenüber der Aufrechnung – insbesondere dann, wenn auf diesem Wege auch Zeugen des Klägers als Drittwiderbeklagte ausgeschaltet werden können.[208]

 

Rz. 206

Erweist sich der Klageanspruch auch im Nachverfahren als begründet, wird das Vorbehaltsurteil für vorbehaltslos erklärt. Dies kann auch durch ein Versäumnisurteil geschehen, §§ 600 Abs. 3, 331 ZPO. Auch dieses Urteil ist nun nach § 708 Nr. 5 ZPO ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären, sodass der B...

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