Rz. 47

Der Anspruch selbst muss sich nicht unmittelbar aus der vorzulegenden Urkunde ergeben. Diese muss also nicht konstitutiv sein.[56] Ausreichend ist, dass der Kläger alle zur Begründung seines Anspruchs erforderlichen streitigen Tatsachen durch die Urkunden beweisen kann. Maßgeblich ist, ob das Gericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung bei Wertung der vorgelegten Urkunden zu dem Ergebnis gelangt, dass der Anspruch besteht.[57] Hinsichtlich der unstreitigen Tatsachen muss er hierzu in der Lage sein, wobei unstreitige Tatsachen geeignet sind, Lücken in der Beweisführung zu schließen. Diese Nachweispflicht durch Urkunden gilt auch für die Nebenansprüche.

 

Rz. 48

 

Hinweis

Kann der Kläger verschiedene Nebenansprüche, insbesondere Zinsen und Kosten, nicht durch Urkunden beweisen, hat er die Möglichkeit, diese entweder gesondert im ordentlichen Erkenntnisverfahren oder aber auch im Nachverfahren durch eine Klageerweiterung geltend zu machen. Allein dies sollte den Kläger also nicht hindern, das Urkundenverfahren zu wählen. Kommt es nicht zum Nachverfahren, weil der Beklagte hierauf letztlich doch verzichtet, können die Ansprüche auch ohne Weiteres in einem nachfolgenden Mahnverfahren kostenschonend verfolgt werden.

 

Rz. 49

Welche Tatsachen dabei vom Kläger zu beweisen sind, richtet sich zunächst nach der Anspruchsnorm und nach den allgemeinen Darlegungs- und Beweisgrundsätzen. Keines Beweises bedarf es hinsichtlich solcher Tatsachen, die dem Gericht offenkundig sind oder vom Beklagten anerkannt oder zugestanden werden.[58] Hierbei kann es sich aber nur um Tatsachen handeln, die die Urkunde ergänzen und so "Lücken" im Urkundenbeweis schließen.[59] Ein Urkundenprozess ohne Urkunden, d.h. allein aufgrund unstreitiger Tatsachen ist mithin nicht möglich.[60] Für den Urkundenprozess ist also erforderlich, dass der Nachweis der den Hauptanspruch begründenden Tatsachen durch Urkunden geführt werden kann.

 

Rz. 50

Unter Urkunden i.S.d. §§ 592 ff. ZPO sind alle schriftlichen Beweisstücke zu verstehen, die geeignet sind, dem Gericht gegenüber den Beweis für das Bestehen des geltend gemachten Anspruchs unmittelbar oder mittelbar zu erbringen.[61] Ein Urkundenprozess kann insoweit auch auf der Grundlage eines zwischen den Parteien vereinbarten Schiedsgutachtens geführt werden.[62]

 

Rz. 51

In Betracht kommen damit Schuldversprechen und Schuldanerkenntnisse sowie schriftliche Verträge aller Art. So sollen etwa auch Abrechnungslisten mit darin enthaltenen Anerkenntnissen als Urkunden genügen.[63]

 

Rz. 52

Auch einem Telefax[64] oder einem Telegramm[65] soll dabei die Urkundeneigenschaft zukommen.

 

Rz. 53

Anerkannt wurde auch die Beweisführung durch Niederschriften der in einem Strafverfahren protokollierten Zeugenaussagen und Beschuldigtenvernehmungen.[66] Unzulässig ist hingegen die Vorlage einer schriftlichen Zeugenaussage oder eines Sachverständigen. Andernfalls wäre die im Urkundenprozess bestehende Beschränkung der Beweismittel wegen ihrer problemlosen Umgehung sinnlos.[67] Dies gilt auch dann, wenn der Zeuge eine eidesstattliche Versicherung abgegeben hat.[68]

 

Rz. 54

Der Urkundenprozess kann dagegen nicht geführt werden, wenn der Kläger nur über eine Kopie verfügt.[69] Nach bestrittener Ansicht[70] soll allerdings auch eine Kopie genügen, wenn sich auch aus dieser der Anspruch begründen lasse. Die Kopie selbst sei dann Urkunde. Ob diese zum Nachweis ausreicht, sei eine Frage der freien Beweiswürdigung. Zu Recht wird dies jedoch bestritten.[71] Soweit der Kläger nur über die Kopie, der Beklagte dagegen über das Original verfügt, kann es sachgerecht sein, dem Beklagten die Vorlage des Originals aufgeben zu lassen. Trägt das Gericht dem nicht Rechnung, muss der Kläger allerdings vom Urkundenprozess Abstand nehmen. Etwas anderes soll sich dann ergeben, wenn der Kläger lediglich die Kopie vorlegt und die Übereinstimmung mit dem Original unstreitig ist.[72]

 

Rz. 55

 

Hinweis

Auch ein Urteil ist eine Urkunde im Sinne von § 417 ZPO, wobei sich aus dieser Urkunde zunächst nur die Tatsache beweisen lässt, dass eine solche Entscheidung ergangen ist.[73] Allerdings ist das Gericht im Urkundenverfahren nicht gehindert zu beurteilen, ob dem Urteil auch im Hinblick auf seine sachliche Richtigkeit Beweiskraft im Urkundenprozess zukommt.[74] Zumindest mag hierin auch ein weiteres Indiz für die Anspruchsbegründung im Zusammenhang mit weiteren Urkunden gesehen werden, sodass Lücken in der Beweisführung geschlossen werden können. In dieser Art und Weise ist auch das Protokoll einer mündlichen Verhandlung, etwa über die Vernehmung eines Zeugen, verwertbar.[75]

 

Rz. 56

Nicht erforderlich ist, dass sich alle den Anspruch begründenden Tatsachen aus einer Urkunde ergeben. Ausreichend ist vielmehr, dass sich diese durch mehrere Urkunden nachweisen lassen.

 

Rz. 57

 

Hinweis

Nicht erforderlich ist auch, dass die Urkunde(n) vom Beklagten herrühren oder von ihm errichtet sind,[76] sodass auch nicht erforderlich ist, dass der Beklagte sich durch die Errichtung der Urkunde dem...

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