Entscheidungsstichwort (Thema)
Urkundenprozess mit bloßer Kopie
Leitsatz (amtlich)
1. Die Vorlage einer Kopie reicht im Verfahren nach §§ 592 ZPO nur dann aus, wenn die Echtheit der Urkunde und die Übereinstimmung von Original und Kopie unstreitig sind.
2. Im Urkundenprozess ist ein Antrag auf Vorlage des Schriftstücks durch den Gegner nicht statthaft.
Normenkette
ZPO §§ 421, 592, 593 Abs. 2, § 595 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Koblenz (Beschluss vom 15.02.2006; Aktenzeichen 1 O 543/05) |
Tenor
In Sachen wird auf die sofortige Beschwerde des Beklagten der die Prozesskostenhilfe versagende Beschluss des Einzelrichters der 15. Zivilkammer des LG Koblenz vom 15.2.2006 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch an das LG zurückverwiesen und diesem aufgegeben, Prozesskostenhilfe für den Urkundenprozess nicht aus Gründen mangelnder Erfolgsaussicht zu verweigern.
Gründe
Die sofortige Beschwerde hat einen vorläufigen Erfolg (§ 572 Abs. 3 ZPO).
Prozesskostenhilfe kann dem Beklagten nicht aus dem Gesichtspunkt mangelnder Erfolgsaussicht seiner Rechtsverteidigung im Urkundenprozess versagt werden.
Der Kläger verfolgt einen Anspruch im Urkundenprozess (§ 592 ff. ZPO).
Ist ein dem Kläger obliegender Beweis nicht mit den im Urkundenprozess zulässigen Beweismitteln angetreten oder mit solchen Beweismitteln nicht vollständig geführt, ist die Klage als in der gewählten Prozessart als unstatthaft abzuweisen (§ 597 Abs. 2 ZPO).
Hierum geht es im vorliegenden Fall.
Der Beklagte hat -betreffend die entscheidende S. 1 des Vertrages- mit Schriftsatz vom 3.1.2006 die Echtheit der Urkunde substantiiert bestritten und einen anderen Urkundeninhalt behauptet. Der Kläger ist nicht im Besitz der Originalurkunde. Der Urkundenbeweis kann aber nur durch Vorlage einer Originalurkunde angetreten werden (§ 595 Abs. 3 ZPO).
Der Kläger ist der Vorlage der Originalurkunde - spätestens im Termin zur mündlichen Verhandlung - nicht dadurch enthoben, dass er nach seinem Vorbringen im Besitz einer Kopie des Originalvertrages ist. Es wird zwar vertreten, dass die Vorlage einer Kopie ausreichend sein kann (Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 592 Rz. 15; Musielak/Voit, ZPO, 4. Aufl., § 593 Rz. 4). Dem wird aber nur insoweit gefolgt, als die Echtheit der Urkunde nicht schlechthin bestritten wird (OLG Frankfurt NJW 1992, 1774).
Das ist hier aber der Fall.
Aus diesem Grunde weil die Beweisführung nur durch Vorlegung der Urkunde in Urschrift zur erfolgen hat (BGH v. 21.1.1992 - XI ZR 71/91, MDR 1992, 806 = NJW 1992, 829 [830], m.w.N.; OLG Frankfurt v. 31.8.1995 - 16 U 111/94, OLGReport Frankfurt 1995, 235), kann die Vorlage einer einfachen Kopie die Statthaftigkeit des Urkundenprozesses nicht begründen.
Weitere im Urkundenprozess zulässige Beweismittel sind vom Kläger nicht angeboten worden. Insbesondere scheidet auch die Aufgabe der Vorlage der Originalurkunde durch den Beklagten gem. §§ 421 ff. ZPO aus (Musielak/Voit, ZPO, 4. Aufl., § 595 Rz. 11).
Das LG hat danach zu überprüfen, ob dem Beklagten für den Urkundenprozess nach den wirtschaftlichen Voraussetzungen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann.
Fundstellen
Haufe-Index 1490947 |
JurBüro 2006, 326 |
AnwBl 2006, 202 |
MDR 2006, 888 |
WuM 2006, 216 |
NJOZ 2006, 2283 |
OLGR-West 2006, 460 |