Rz. 90

Für diese Verbindlichkeiten gilt § 1991 Abs. 4 BGB i.V.m. § 327 InsO. Sie sind nachrangig nach allen anderen Verbindlichkeiten, selbst wenn sie ein rechtskräftiges Urteil haben.[118] Untereinander gilt für ihre Befriedigung die Reihenfolge:

(1) Pflichtteilsanspruch (auch Pflichtteilsergänzungsanspruch[119])
(2) Vermächtnisse
(3) Auflagen
 

Rz. 91

Bei gleichem Rang werden sie nach dem Verhältnis ihrer Beträge erfüllt. Bei der Bestimmung der insolvenzrechtlichen Rangfolge sind auch die Sonderbestimmungen in § 327 Abs. 2 und 3 InsO zu beachten (Vermächtnis, durch welches das Recht des Bedachten auf den Pflichtteil ausgeschlossen wird; besondere Rangbestimmung durch Verfügung von Todes wegen).

 

Rz. 92

Ist die Nachlassüberschuldung lediglich auf Vermächtnisse oder Auflagen zurückzuführen kann der Nachlasspfleger die Überschwerungseinrede nach § 1992 BGB einwenden. Diese ist nicht anwendbar, wenn der Nachlass auch ohne Vermächtnis und Auflagen überschuldet ist.[120]

 

Rz. 93

Diese nachlassbezogenen Verbindlichkeiten sind nach § 1980 Abs. 1 S. 2 BGB bei der Frage der Zulänglichkeit des Nachlasses für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens dann nicht zu berücksichtigen. § 1992 BGB ist Ausdruck des vermuteten Willens des Erblassers. Der Erblasser ordnet Vermächtnisse und Auflagen in der Erwartung an, dass der Nachlass zu ihrer Erfüllung ausreicht; andernfalls hätte er sie im Zweifel nicht verfügt. Ein Nachlassinsolvenzverfahren würde seinem Willen daher regelmäßig nicht entsprechen.[121]

 

Rz. 94

Der Nachlasspfleger kann daher in diesen Fällen auch nach §§ 1990, 1991 BGB verfahren und die Berichtigung der Vermächtnisse und Auflagen verweigern. Soweit nach Zahlung der vorrangigen sonstigen Verbindlichkeiten noch Mittel verbleiben, sind Forderungen der Vermächtnisnehmer und Auflagenbegünstigten gemäß dem Insolvenzrecht anteilig zu erfüllen, §§ 1992 S. 1, 1991 Abs. 4 BGB, § 327 Abs. 1 Nr. 1, 2 InsO.

 

Rz. 95

Darlegungs- und beweispflichtig für die Voraussetzungen der Überschwerungseinrede ist der Nachlasspfleger. Im Erkenntnisverfahren braucht jedoch nicht geklärt zu werden, ob der Nachlass tatsächlich aufgrund von Vermächtnissen und Auflagen überschuldet ist; der Erbe kann stattdessen unter dem Vorbehalt des § 780 Abs. 1 ZPO verurteilt werden.[122]

[118] Staudinger/Marotzke, § 1991 Rn 21.
[121] Prot. V S 762, 803.
[122] OLG Koblenz v. 31.5.2005 – 3 U 1313/04, NJW-RR 2006, 377, 378.

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