Rz. 47

Hinzugerechnet werden müssen aber auch anfechtungsrechtliche Ansprüche nach §§ 129 ff. InsO, die nur ein Insolvenzverwalter wieder zur Masse ziehen kann. Zu prüfen sind insbesondere unentgeltliche Leistungen des Erblassers nach § 134 InsO, die in den letzten vier Jahren vorgenommen wurden. Dies können alle Schenkungen sein, die der Erblasser an Angehörige oder Dritte vorgenommen hat. So kann z.B. eine Immobilie an einen nahen Angehörigen übertragen worden sein, ohne dass dem eine wertgleiche Gegenleistung gegenübersteht. Es kann sich daher durchaus lohnen, auch bei einem überschuldeten Nachlass, bei dem die Angehörigen die Erbschaft ausgeschlagen haben, durch eine Anfrage beim Grundbuchamt nach historischem Eigentum des Erblassers zu ermitteln oder Kontobewegungen in der Vergangenheit zu prüfen.

 

Rz. 48

Die Ausschlagenden können auch standardmäßig zur schriftlichen Auskunft darüber aufgefordert werden, ob sie vom Erblasser Schenkungen in den letzten vier Jahren erhalten haben. Eine allgemeine Auskunftspflicht gegenüber dem Nachlasspfleger dürfte aber nicht bestehen. So hat auch der Insolvenzverwalter keinen allgemeinen Auskunftsanspruch hinsichtlich eines möglicherweise anfechtbaren Vermögenserwerbs gegen einen potentiell Beschenkten.[54] Grundlage sowohl beim Insolvenzverwalter als auch beim Nachlasspfleger ist § 242 BGB. Die Tatsache, dass der Dritte nur möglicherweise zur anfechtungsrechtlichen Rückgewähr verpflichtet ist, reicht nicht aus; vielmehr muss der Anspruch dem Grunde nach bereits feststehen. Das setzt voraus, dass der Nachlasspfleger den Sachverhalt für den Anfechtungsanspruch darlegt und notfalls beweist.[55]

 

Rz. 49

Wirksame, aber von einem Nachlassinsolvenzverwalter anfechtbare Schenkungen können auch im Rahmen von Bezugsberechtigungen zugunsten Dritter bei Lebensversicherungen oder Bankkonten vorliegen.[56] Diese sind keine Aktiva des Nachlasses, da der Erwerb außerhalb des Nachlasses erfolgt.

Bei der widerruflichen Bezugsberechtigung ist die Versicherungssumme Bereicherungsgegenstand, die vierjährige Anfechtungsfrist beginnt mit Todes- = Versicherungsfall.[57] Da bei der unwiderruflichen Bezugsberechtigung, die eher der Ausnahmefall ist, der Versicherungsnehmer eine gesicherte Rechtsstellung des Bezugsberechtigten bereits unmittelbar durch die Einräumung des Bezugsrechts erwirkt, kann eine Insolvenzanfechtung nur erfolgen, wenn die Einräumung innerhalb der vier Jahre vor dem Insolvenzantrag erfolgte, ansonsten sind nur die Prämienzahlung innerhalb dieses Vierjahreszeitraums anfechtbar und Bereicherungsgegenstand ist dann lediglich die durch die die konkrete Prämienzahlung erlangte Wertsteigerung.[58]

 

Rz. 50

Lediglich, wenn der Nachlasspfleger durch Widerruf des Schenkungsangebotes gegenüber dem Bezugsberechtigten und Widerruf des Übermittlungsauftrag an die Versicherung/Bank eine wirksame Schenkung als Rechtgrund der Bezugsberechtigung verhindert, können bereicherungsrechtliche Ansprüche der unbekannten Erben gegen den Bezugsberechtigten bestehen,[59] siehe § 3 Rdn 409 ff.

 

Rz. 51

Darüber hinaus hat es sich in der Praxis bewährt, auch bei einer wirksamen Schenkung an den Bezugsberechtigen als Nachlasspfleger zu versuchen, von ihm die Leistung unter Hinweis auf die mögliche Insolvenzanfechtung und Gläubigeranfechtung (§ 4 AnfG) herauszuverlangen. Denn wenn er nicht im Rahmen der Pflegschaft freiwillig zahlt, wird er an den Insolvenzverwalter zahlen müssen.

 

Rz. 52

In diesem Fall wird der Erwerb des Bezugsberechtigten auch für die Kosten des Insolvenzverfahrens herangezogen. Bei der Abwicklung über die Nachlasspflegschaft, kann man dem Bezugsberechtigten in Aussicht stellen, dass ein möglicher Überschuss an ihn ausgekehrt wird, so dass dieses Verfahren für ihn wirtschaftlich günstiger ist, siehe § 3 Rdn 418 ff.

[54] BGH v. 7.2.2008 – IX ZB 137/07, ZIP 2008, 565 = ZInsO 2008, 320 = NZI 2008, 240 = EWiR 2008, 369 mit Anm. Büttner; vgl. weiter: Gundlach/Frenzel/Schmidt, DStR 2002, 1910 ff.
[55] Vgl. Uhlenbruck/Hirte, § 143 Rn 121 ff..
[56] Vgl. ausführlich: Bredemeyer, ZEV 2014, 287 ff.
[58] Elfering, NJW 2004, 483, 484; Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 134 Rn 88; vgl. zur Unterscheidung zwischen unwiderruflicher und widerruflicher Bezugsberechtigung auch den instruktiven Fall BGH v. 22.10.2015 – IX ZR 248/14, NJW-RR 2016, 171 = ZEV 2015, 720.
[59] Vgl. BGH v. 21.5.2008 – IV ZR 238/06, ErbR 2008, 324 = NJW 2008, 2702 = ZEV 2008, 392; Schulz, ZErb 2005, 280 ff.

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