Rz. 80

Versicherungsansprüche aller Personen, die den Schaden vorsätzlich herbeigeführt haben, sind ausgeschlossen. Aufgrund der ausdrücklichen Bezugnahme auf "den Schaden" geht der versicherungsrechtliche Vorsatzbegriff über den deliktsrechtlichen Vorsatz hinaus. Vorsatz verlangt Wissen und Wollen der objektiven Tatbestandsmerkmale und der Schadensfolgen. Der Schädiger muss den Schadensumfang zwar nicht in allen Einzelheiten, aber die Schädigungsfolgen in ihrem wesentlichen Umfang vorhergesehen, also als möglich erkannt und zumindest im Sinne bedingten Vorsatzes billigend in Kauf genommen haben.[71]

Bislang – soweit ersichtlich – jedenfalls versicherungsrechtlich nicht explizit entschieden ist, ob der Versicherer bei Vorsatz hinsichtlich verschiedener Verletzungsfolgen differenzieren, also den Versicherungsschutz für einzelne Schäden ausschließen kann, obwohl er ihn für andere wiederum zu gewähren hat.[72]

 

Rz. 81

§ 103 VVG schließt nach dem Wortlaut vorsätzlich und widerrechtlich herbeigeführte Schäden aus. Obwohl das Tatbestandsmerkmal der Widerrechtlichkeit in A 1 Ziff. 7.1 AVB/Ziff. 7.1 AHB fehlt, ist auch das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit nötig, was meist indiziert wird. Die Widerrechtlichkeit entfällt bei Rechtfertigungsgründen, für die der Versicherungsnehmer die Beweislast trägt.[73]

 

Rz. 82

Bei der Annahme von Vorsatztaten von Kindern ist Zurückhaltung geboten.[74] Auch bei Schuldunfähigkeit kann es am Vorsatz fehlen, wobei nach Beweis des Vorsatzes durch den Versicherer den Versicherten die Darlegungs- und Beweislast für seine mangelnde Zurechnungsfähigkeit trifft.[75]

 

Rz. 83

Nur derjenige, der selbst vorsätzlich auch in Bezug auf die Schadenfolgen gehandelt hat, verliert seinen Versicherungsschutz. Der Versicherungsnehmer muss sich aber den Vorsatz seiner Repräsentanten (siehe § 1 Rdn 243 ff.) zurechnen lassen. Nach A 1 Ziff. 7.1 Abs. 2 AVB ist A 1 Ziff. 2.3 AVB nicht anwendbar.

[71] Vgl. BGH NJW-RR 1998, 1321 = r+s 1998, 367 = VersR 1998, 1011 (fahrlässiges Inbrandsetzen); OLG Karlsruhe NJW-RR 2003, 1110 = r+s 2003, 281 = VersR 2003, 987 (unsachgemäße Lötarbeiten – Abgrenzung zur Kenntnisklausel nach Ziff. 7.2 AHB); OLG Karlsruhe NJW-RR 2013, 596 = r+s 2012, 592 = VersR 2013, 173 (grobes Foul im bezahlten Fußball).
[72] Allerdings hat OLG Hamm (8.11.2013 – 26 U 31/13) bei der Frage der sozialrechtlichen Privilegierung gem. §§ 104, 105 SGB VII beim Vorsatz hinsichtlich verschiedener Verletzungsfolgen differenziert. Der Schädiger habe zwar die schlimmeren Verletzungen (Dauerschäden wie Sehstörungen etc.) nicht, gleichwohl aber eine Gehirnerschütterung und ein blaues Auge des Geschädigten in Kauf genommen. Er schulde deshalb für die kleineren Schäden ein Schmerzensgeld, was hinsichtlich der übrigen Schäden aber der Haftungsprivilegierung unterliege.
[73] Vgl. MüKo/Büsken, Band 2.1.A. Rn 150 f. m.w.N.; LG Dortmund r+s 2012, 114 (zum Notwehrexzess).
[74] Vgl. OLG Koblenz NJW-RR 2008, 45 = VersR 2008, 954; OLG Schleswig r+s 2008, 67 = NJOZ 2008, 3105 (beide Entscheidungen zu 14 – und 15jährigen, die mit Feuerlöschern einen Kirchenraum verschmutzt haben).
[75] Vgl. BGH NJW 1990, 2387 = r+s 1990, 291 (Beweislastverteilung wie bei § 827 BGB); BGH NJW-RR 2009, 244 = r+s 2010, 16 = VersR 2009, 517 (Vollrausch); OLG Nürnberg NJW-Spezial 2013, 682 (bestrittene Suizidabsicht und mangelnder Vorsatz bezüglich der Schadensfolgen).

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