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Nationale Vorschriften zur Regulierung der Plattformarbeit existieren bisher nicht. Aufgrund der in weiten Teilen grenzüberschreitenden Tätigkeiten bzw. zahlreichen ausländischen Plattformen und der damit verbundenen Schwierigkeiten der Durchsetzung nationaler Regelungen können einheitliche Standards nur auf internationaler bzw. mindestens europäischer Ebene erreicht werden. Aus gutem Grund hat die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) bereits vor einigen Jahren die Entwicklung eines internationalen Systems zur Regelung digitaler Arbeitsplattformen empfohlen, welches die Plattformen und ihre Auftraggeber zur Einhaltung bestimmter Mindestrechte und -schutzvorkehrungen verpflichten soll.

Auf EU-Ebene wurde Ende 2021 von der Europäischen Kommission ein Richtlinienvorschlag zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit vorgelegt. Danach soll durch eine Erleichterung der Statusfeststellung von Plattformtätigen sichergestellt werden, dass Arbeitnehmer Zugang zu den für sie anwendbaren Arbeits- bzw. Sozialschutzrechten erhalten. Kern der Richtlinie ist dabei ein umstrittener Kriterienkatalog, bei dem bereits bei Vorliegen von lediglich zwei der aufgezählten Kriterien eine widerlegliche Vermutung der Arbeitnehmereigenschaft greifen soll (kritisch auch Waas, ZRP 2022, 105, Krause, NZA 2022, 521). Der Ansatz eines Kriterienkatalogs erinnert an den Mechanismus des 1999 bis 2003 geltenden Kriterienkatalogs in § 7 Abs. 4 SGB IV, der mangels praktischer Bewährung wieder aufgegeben wurde. Die Vermutungsregelung soll in allen einschlägigen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren gelten. Macht der Plattformbetreiber geltend, dass kein Arbeitsverhältnis vorliegt, geht die Beweislast auf ihn über.

Die Richtlinie sieht daneben auch weitere Informationsrechte für Plattformtätige vor, insbesondere über den Einsatz der Plattform von Algorithmen zur Arbeitskontrolle (algorithmisches Management). So sollen Plattformtätige Informationen darüber erhalten, welche ihrer Handlungen überwacht werden und welche Parameter in die digitalisierten Entscheidungssysteme der Plattform einfließen.

Neben den europäischen Regulierungsambitionen zur Plattformarbeit wird schon seit vielen Jahren eine (Teil-) Einbeziehung von (Solo-)Selbstständigen in die gesetzliche Rentenversicherung über § 2 SGB VI hinaus gefordert (für Solo-Selbstständige Waltermann, 68. DJT, 2010, B 103; ders., RdA 2010, 162. Seit einigen Jahren werden die Reformüberlegungen auch um gruppenspezifische Vorschläge zur Einbeziehung von Crowdworkern in die Sozialversicherung erweitert (Brose, NZS 2017, 7, Weber, IAB Forschungsbericht, Konzept für Digitale Soziale Sicherung in der Plattformarbeit, 2019).

Die Ampelkoalition verfolgt das bereits in der letzten Legislaturperiode diskutierte Ziel der Einführung einer Altersvorsorgepflicht für alle (zukünftigen) Selbstständigen, wobei eine Opt-Out-Regelung für diejenigen gelten soll, die anderweitig "geeignete insolvenz- und pfändungssichere" Vorsorge betreiben.

Über die Diskussion der sozialen Absicherung hinaus werden aufgrund des i.d.R. fehlenden Arbeitnehmerstatus von Crowdworkern Forderungen nach einer Anpassung der Begriffe des Heimarbeiters sowie der arbeitnehmerähnlichen Person erhoben (zur arbeitnehmerähnlichen Person Deinert, Soloselbstständige zwischen Arbeits- und Wirtschaftsrecht, 2015, S. 98; zur Ausweitung des Konzepts des Heimarbeitsgesetzes Preis, SR 2017, 173; zum Bedarf einer Neujustierung des Schutzkonzepts für "arbeitnehmerähnliche Selbstständige" Henssler/Roth/Pickenhahn/Rehm/Wewetzer, 2019, S. 83).

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