Rz. 30

In der Zwangsvollstreckung ist eine Besonderheit bei der Berechnung der Zinstage zu beachten: Im Gegensatz zu der bei der kaufmännischen Zinsrechnung üblicherweise gültigen Regel, dass der erste Tag – an dem z. B. das Kapital eingezahlt wird – nicht mitgerechnet wird, der letzte Tag aber mitgerechnet wird, gilt für die Zinsrechnung im Rahmen der Zwangsvollstreckung folgende Regel:

 

Merke:

Bei dem zu verzinsenden Zeitraum werden sowohl der erste als auch der letzte Tag des angegebenen Zeitraums mitgerechnet. Diese Tage sind gesetzlich festgelegt.

 

Rz. 31

Dies gilt z. B. auch in den Fällen des Schuldnerverzuges. Lassen Sie uns dies gemeinsam überlegen: Wenn der Schuldner nicht rechtzeitig zahlt, kommt er in Zahlungsverzug entweder

(1) mit dem Zugang einer Mahnung (§ 286 Abs. 1 S. 1 BGB) oder
(2) mit Ablauf eines kalendermäßig festgelegten Zahlungstermins (§ 286 Abs. 2 Ziff. 1 BGB) oder
(3) nach Ablauf von 30 Tagen nach Zugang einer Rechnung oder einer gleichwertigen Forderungsaufstellung (§ 286 Abs. 3 BGB).

Der Verzug beginnt in den drei Fällen am jeweils darauffolgenden Tag (um 0.00 Uhr), der somit der erste Tag ist, an dem der Schuldner Verzugszinsen zahlen muss (§ 187 Abs. 1 BGB). Dieser erste Verzugstag wird folglich voll mitgerechnet.

Der Beginn der Verzinsung der Hauptforderung ergibt sich bei Urteilen aus dem im Urteil genannten Tag (z. B.: "… nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem …"), ebenso bei Vollstreckungsbescheiden.

Die Verzinsung von festgesetzten Prozesskosten beginnt gemäß § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO seit dem Tag, an dem der Kostenfestsetzungsantrag bei dem Gericht einging. Im Kostenfestsetzungsbeschluss wird vom Gericht als Beginn der Verzinsung der Tag des Eingangs des Antrags eingesetzt. Dieser Tag ist bei der Verzinsung bereits zu berücksichtigen. Angenommen, der Schuldner zahlt am nächsten Tag, so muss er folglich für zwei Tage Zinsen zahlen.

Beim vereinfachten Kostenfestsetzungsverfahren ohne förmlichen Antrag nach § 105 Abs. 2 ZPO beginnt die Verzinsung mit dem Tag der Verkündung des Urteils (§ 104 Abs. 1 S. 2 ZPO). Das Gleiche gilt auch für die im Vollstreckungsbescheid festgesetzten Verfahrenskosten ab dem Tag des Erlasses des Vollstreckungsbescheids (§ 699 Abs. 3 ZPO).

 

Rz. 32

 

Beispiel:

In einer Klage könnte die Verzinsung nicht ab dem Tag des Verzuges, sondern ab Rechtshängigkeit beantragt werden. (Rechtshängigkeit = Zustellung der Klage an den Beklagten, § 261 ZPO). Der BGH hat dazu entschieden, dass dann die Pflicht zur Verzinsung erst am Tag nach der Zustellung beginnt (BGH, Urteil vom 10.10.2017 – XI ZR 555/16). In diesem Fall also Klagezustellung am 18. Juni, laut Urteil Verzinsung ab dem 19. Juni, erster Zinstag ist der 19. Juni.

 

Rz. 33

 

Merke zum Beginn der Verzinsung:

 
Schuldnerverzug = Tag nach Zugang der Mahnung, Tag nach festem Termin, Tag nach Ablauf des 30. Tages nach Rechnungszugang.
Urteil = im Urteil genannter Tag.
Kostenfestsetzungsbeschluss = Kosten: Tag des Eingangs des Antrags bei Gericht.
Vereinfachte Kostenfestsetzung = Kosten: Tag der Verkündung des Urteils.
Vollstreckungsbescheid = Kosten: Tag des Erlasses des Vollstreckungsbescheids.

Der letzte Tag, an dem die Zahlung erfolgt, wird mitgerechnet, da die Verzinsungspflicht bereits mit dem Anfang eines Tages beginnt. Man berechnet Zinsen eben immer nach vollen Tagen.

 

Merke:

Werden Verzugszinsen oder Zinsen auf festgesetzte Kosten berechnet, so muss folglich, wenn die Zinstage nach der üblichen Subtraktionsmethode ermittelt werden, dem Ergebnis noch 1 Tag zugezählt werden.

 

Beispiel 1:

Eine Mahnung geht am 27.08. zu. Verzugszinsen sind vom 28.08. bis 31.12. zu berechnen.

 
Lösung: 30 Tage (!) 12 Monate      
  – 28 Tage        8 Monate      
  2 Tage        4 Monate = 2 + 120 Tage = 122 Tage
        + 1 Tag!
          123 Tage
 

Beispiel 2:

Eine Mahnung geht am 27.08. zu. Verzugszinsen sind vom 28.08. bis zum 15.10. zu berechnen.

 
Lösung: 15 Tage 10 Monate      
  – 28 Tage 8 Monate      
  – 13 Tage 2 Monate = 60 Tage – 13 Tage = 47 Tage
        + 1 Tag!
          48 Tage
 

Beispiel 3:

Eine Mahnung geht am 27.08.2013 zu. Verzugszinsen sind vom 28.08.2013 bis zum 20.07.2015 zu berechnen.

 
Lösung: 20 Tage 7 Monate 2015 Jahre      
  – 28 Tage 8 Monate 2013 Jahre      
  – 8 Tage – 1 Monat 2 Jahre = 720 Tage – 30 Tage – 8 Tage = 682 Tage
          + 1 Tag!
            683 Tage

Anstatt "negative Tage" zu berechnen, lässt sich auch eine Subtraktion mit "Borgen" von Monaten und Jahren durchführen.

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