Rz. 37

Weitere Voraussetzung für die Durchführung des Versorgungsausgleichs ist, dass der Ausgleichswert eines Anrechts bzw. die Differenz der beiderseitigen Ausgleichswerte gleichartiger Anrechte nicht gering sind (§ 18 VersAusglG).

1. Funktionsweise und Zweck der Bagatellklausel

 

Rz. 38

Die Bagatellklausel des § 18 VersAusglG schließt den Versorgungsausgleich in denjenigen Fällen grds. aus, in denen der Ausgleichswert eines Anrechts oder die Differenz der Ausgleichswerte beiderseitiger gleichartiger Anrechte einen Schwellenwert nicht erreicht, der in § 18 Abs. 3 Vers­AusglG in Anlehnung an die allgemeine Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV bestimmt wird.

 

Rz. 39

Sinn der Regelung ist es, einen im Vergleich zu den Vorteilen für den Ausgleichsberechtigten entstehenden übermäßigen Verwaltungsaufwand für die Gerichte und Versorgungsträger zu vermeiden. Außerdem soll die Zersplitterung kleiner Versorgungsanrechte vermieden werden, die in dem neuen Ausgleichssystem des Versorgungsausgleichs angelegt sind. Dem Gericht werden zur Erreichung dieser Ziele flexible Möglichkeiten zur Gestaltung der Ausgleichslage eingeräumt, da es sich nicht um eine zwingende Herausnahme aus dem Ausgleich handelt, sondern nur um eine regelmäßige ("soll"). Aus besonderen Gründen des Einzelfalls kann deswegen ein Versorgungsausgleich daher auch dann durchgeführt werden, wenn die Ausgleichswerte den Schwellenbetrag nicht erreichen.

 

Rz. 40

Die Bagatellklausel ist im Gesetzgebungsverfahren erheblich entschärft worden. Im ursprünglichen RegE war sie noch als zwingende Regelung ausgestaltet, die nur durch eine besondere Härteregelung relativiert wurde. Gesetz geworden ist eine Sollvorschrift, die es dem Gericht jederzeit gestattet, von dem Regelausschluss des Versorgungsausgleichs abzuweichen.

 

Rz. 41

 

Hinweis

§ 18 VersAusglG ergänzt § 3 Abs. 3 VersAusglG, der vorschreibt, dass in den Fällen einer kurzen Ehezeit von bis zu 36 Monaten Dauer ein Versorgungsausgleich grds. nicht stattfindet (siehe dazu Rdn 13 ff.). In einer derart kurzen Zeit werden oft nur geringe Anrechte oder gleichartige Anrechte mit einer geringen Wertdifferenz erworben werden. Der Anwendungsbereich beider Regelungen wird sich daher in vielen Fällen überschneiden. Die Folgen beider Normen sind aber unterschiedlich: In den Fällen des § 18 VersAusglG ist ein Versorgungsausgleich zwar im Regelfall ausgeschlossen; das Gericht kann ihn aber aus besonderen Gründen trotzdem durchführen, wenn es das für geboten hält. In den Fällen des § 3 Abs. 3 VersAusglG ist das Gericht dagegen an die Entscheidung der Ehegatten gebunden: bei einer nur kurzen Ehedauer findet kein Versorgungsausgleich statt, es sei denn, mindestens einer der Ehegatten beantragt die Durchführung des Versorgungsausgleichs. Wird ein derartiger Antrag nicht gestellt, ist das Gericht daran gebunden, ein Versorgungsausgleich findet nicht statt. Wird der Antrag gestellt, kann das Gericht immer noch wegen § 18 VersAusglG vom Versorgungsausgleich absehen.

 

Rz. 42

 

Beispiel

M und seine Frau F stellen nach einer Ehezeit von 28 Monaten einen Scheidungsantrag. Beide haben während der Ehe nur Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben, M in Höhe eines korrespondierenden Kapitalwerts von 2.120 EUR, F i.H.v. 2.870 EUR.[14] M stellt einen Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs.

Mit seinem Antrag hebelt M die Ausschlussnorm des § 3 Abs. 3 VersAusglG aus. Nachdem er den Antrag gestellt hat, muss ein Versorgungsausgleich durchgeführt werden. Der Antrag von M kann aber nichts daran ändern, dass die Differenz der beiderseitigen Anrechte aus der gesetzlichen Rentenversicherung nur 750 EUR beträgt und damit unter dem Schwellenwert des § 18 Abs. 3 VersAusglG liegt (2016: 3.486 EUR). Soweit hier nicht besondere Umstände vorliegen, wird das Gericht also trotz des Antrags keinen Versorgungsausgleich durchführen.

 

Rz. 43

Wie effizient die Bagatellklausel sein wird, bleibt abzuwarten. In der Literatur ist bereits die Befürchtung geäußert worden, die Regelung werde ihren Zweck weitgehend verfehlen, weil sie nicht zur Vereinfachung von Ausgleichsverfahren beitragen werde, sondern diese vielmehr mit weiteren Prüfungsfragen belaste. Sie werde wahrscheinlich das Schicksal einer Parallelregelung teilen, die im VAHRG enthalten gewesen sei (§ 3c VAHRG a.F.) und die schon nach wenigen Jahren wegen Ineffizienz wieder gestrichen worden sei.[15] Die ersten Erfahrungen mit dem neuen Versorgungsausgleichsrecht scheinen das zu bestätigen, machen doch Entscheidungen zu § 18 VersAusglG einen Großteil der bislang veröffentlichten Rechtsprechung zum neuen Recht aus.

 

Rz. 44

In der Tat erscheint es nicht unproblematisch, dass gerade in den Fällen, in denen es um kleine Ausgleichswerte bzw. Ausgleichsdifferenzen geht, das Gericht damit befasst wird, von Amts wegen zu prüfen, ob nicht doch ein Versorgungsausgleich stattfinden muss, weil das Ausgleichsgefüge sonst gestört würde oder weil sonstige Umstände des Einzelfalls gegen die Durchführung des Versorgungsausgleichs sprechen. Es erscheint nicht unwahr...

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