Rz. 122

Nicht ausgleichsreif ist ein Anrecht schließlich, wenn es bei einem ausländischen, zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Versorgungsträger besteht (§ 19 Abs. 2 Nr. 4 VersAusglG).

 

Rz. 123

Die Anwendung der Norm erfolgt von Amts wegen. Das Gericht muss aber prüfen, ob das ausländische Anrecht überhaupt im Versorgungsausgleich auszugleichen ist. Daran fehlt es etwa, wenn es sich um ein Anrecht auf eine sog. Volksrente handelt.

 

Rz. 124

Der Ausschluss der ausländischen Anrechte ist systembedingt. Er berücksichtigt, dass ein ausländischer Versorgungsträger nicht durch deutsche Gerichte verpflichtet werden kann, die ausgleichsberechtigte Person in sein Versorgungssystem aufzunehmen oder das Anrecht extern auszugleichen.

 

Rz. 125

Zu beachten ist, dass das FamG in Bezug auf die bei ausländischen, über- oder zwischenstaatlichen Versorgungsträgern bestehenden Anrechte nicht jeglicher Prüfung enthoben ist. Vielmehr bedeutet die Regelung des § 19 Abs. 3 VersAusglG, dass als Kompensation für die Herausnahme dieser Anrechte aus dem Ausgleich bei der Scheidung auch ansonsten bei der Scheidung auszugleichende Anrechte des anderen Ehegatten in den schuldrechtlichen Ausgleich verwiesen werden können, dass bei ausländischen Anrechten im Verfahren über den Wertausgleich bei der Scheidung bereits eine zumindest überschlägige Wertermittlung des FamG in Bezug auf diese Anrechte erforderlich ist; denn sonst kann die verlangte Billigkeitsabwägung nicht vorgenommen werden. Insoweit geht die Verpflichtung des Gerichts zur Sachverhaltsaufklärung also über das i.R.d. § 19 VersAusglG sonst Verlangte deutlich hinaus.

 

Rz. 126

 

Hinweis

Die Regelung des § 19 Abs. 2 Nr. 4 VersAusglG eröffnet auch im Hinblick auf die Regelung der § 225 FamFG, § 32 VersAusglG, dass Anpassungen und Änderungen von Entscheidungen über den Versorgungsausgleich nur insoweit in Betracht kommen, wie die Entscheidungen Anrechte aus Regelsicherungssystemen betreffen, Gestaltungsmöglichkeiten. Die erwähnten Vorschriften führen dazu, dass Anrechte der betrieblichen oder privaten Altersvorsorge, die bei der Scheidung auf den anderen Ehegatten übertragen wurden oder die extern geteilt wurden, endgültig für den Ausgleichspflichtigen verloren sind, selbst wenn sich später herausstellt, dass der Ausgleichsberechtigte von diesen Anrechten keinerlei Vorteil hat.

 

Rz. 127

 

Beispiel

Bei der Scheidung wurden von Anrechten von F bei der X-Versicherungs AG Anrechte i.H.v. 200 EUR mtl. auf ihren deutlich älteren Mann M übertragen. M verstirbt, bevor er eine Rente aus diesen Anrechten beziehen kann. In diesem Fall hatte M noch nichts von den ihm übertragenen Anrechten, F hat sie dagegen bereits endgültig verloren; denn die Anpassung der Entscheidung über den Versorgungsausgleich bei der Scheidung kommt in diesem Fall nicht in Betracht, weil nach § 32 VersAusglG nur Entscheidungen über Anrechte aus den Regelalterssicherungssystemen angepasst werden können, zu denen private Anrechte nicht gehören.

 

Rz. 128

Hat der Ausgleichsverpflichtete dagegen ein ausländisches Anrecht, ist dieses im Ausgleich bei der Scheidung nicht ausgleichsreif. Das bedeutet, dass dem Ausgleichspflichtigen bei der Entscheidung über den Ausgleich bei der Scheidung von seinen Anrechten noch nichts genommen wird. Er behält sein komplettes Anrecht. Erst, wenn er selbst Leistungen aus diesem Anrecht bezieht und auch der Ausgleichspflichtige die Voraussetzungen für den Leistungsbezug erfüllt, muss er das Anrecht (im Regelfall durch Zahlung einer Ausgleichsrente) ausgleichen. Alle Veränderungen, die also dazu führen, dass der Ausgleichsberechtigte keine Leistungen in Anspruch nehmen kann, nutzen also in diesem Fall dem Ausgleichspflichtigen, denn dieser erhält die vollen Leistungen aus dem bei der Scheidung nicht gekürzten Anrecht und braucht von diesen Leistungen nichts an seinen ehemaligen Ehegatten weiterzuleiten.

 

Rz. 129

 

Beispiel

Hätte im vorausgehenden Beispiel die Versicherung nicht bei einer deutschen Lebensversicherung, sondern bei einer solchen aus Großbritannien bestanden, wäre bei der Scheidung von den Anrechten von F nichts auf M übertragen worden, weil das Anrecht als ausländisches Anrecht nicht ausgleichsreif i.S.d. § 19 Abs. 2 Nr. 4 VersAusglG gewesen wäre. Der Tod von M hätte damit in diesem Fall nur bewirkt, dass F später, wenn sie selbst eine Rente aus der Versicherung erhält, nichts von den empfangenen Leistungen weiterzuleiten bräuchte. Sie hätte damit im Monat 200 EUR Rente mehr für sich.

 

Rz. 130

 

Beispiel

In den beiden vorausgehenden Beispielen stirbt M, nachdem er fünf Jahre lang Rente bezogen hat.

Besteht die Versicherung von F bei einer deutschen Versicherungsgesellschaft, findet eine Anpassung nicht statt. Der Grund ist ein doppelter: Zum einen handelt es sich um ein privates Anrecht, in Bezug auf welches eine Anpassung wegen § 32 VersAusglG ausgeschlossen ist, zum anderen liegen die Voraussetzungen für eine Anpassung wegen Todes (§ 37 VersAusglG) nicht vor, weil M für längere Zeit als 36 Monate Leis...

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