Rz. 249

Soweit es sich auf beiden Seiten um gleichartige Versorgungsanrechte handelt, können diese miteinander verrechnet werden (§ 10 Abs. 2 VersAusglG). Es findet dann kein Hin- und Her-Ausgleich statt, sondern ausgeglichen wird nur der zugunsten eines Ehegatten bestehende Saldo. Das soll unnötige Verwaltungskosten für das Hin- und Herschieben von Anrechten vermeiden und verhindern, dass isolierte Minirenten entstehen.

 

Rz. 250

Die Verrechnung ist allerdings nicht Aufgabe des Familiengerichts, sondern eine solche der Versorgungsträger. Auch in solchen Fällen teilt das FamG daher zunächst die beiderseitigen gleichartigen Anrechte. Erst die Versorgungsträger saldieren. Streitigkeiten über die Verrechnung sind deswegen auch keine Versorgungsausgleichssachen mehr. Hält ein Ehegatte die Verrechnung für unzutreffend, muss er dagegen Rechtsschutz bei den Fachgerichten suchen, die für diesen Versorgungsträger zuständig sind. Das werden im Regelfall die Sozialgerichte sein, es können aber auch Verwaltungsgerichte (bei der Verrechnung von Beamtenversorgungen), ArbG (bei der Verrechnung von Direktversorgungen durch Arbeitgeber) und die allgemeinen Zivilgerichte (bei privaten Versorgungen) sein. Nur die Familiengerichte sind niemals zuständig.

 

Rz. 251

Zu beachten ist die Verrechnung besonders bei der Berechnung von Wartezeitmonaten, denn in diesen Fällen sind die Wartezeitmonate, welche der Ausgleichsberechtigte erwirbt, nur aus dem Saldo zu berechnen, der sich nach der Verrechnung ergibt (§ 52 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Dass auch die Geringwertigkeitsgrenze, unterhalb derer ein Ausgleich nicht stattfindet, sich nach dem Saldo berechnet, ergibt sich aus § 18 Abs. 1 VersAusglG, siehe dazu Rdn 46 ff.). Die Verrechnung ist dafür aber keine notwendige Voraussetzung. Die Anwendung der Geringfügigkeitsregelung kommt vielmehr auch dann in Betracht, wenn eine Verrechnung der Anrechte wegen der Unterschiedlichkeit der betroffenen Versorgungsträger nicht stattfinden könnte.

 

Rz. 252

Die entscheidende Frage besteht in diesen Fällen immer darin zu ermitteln, wann Anrechte gleichartig sind. Zu prüfen sind insofern zwei Punkte:

die Identität der Versorgungsträger (bzw. Verrechnungsvereinbarung),
die strukturelle Vergleichbarkeit der Anrechte.
 

Rz. 253

Relativ einfach zu handhaben ist der Fall, dass beide Ehegatten über Anrechte bei demselben Versorgungsträger verfügen. Dann muss nur überprüft werden, ob auch beide Anrechte die gleichen strukturellen Bedingungen aufweisen. Der häufigste Fall wird der sein, dass beide Ehegatten über Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung verfügen, welche beide auf die gleiche Art und Weise berechnet werden und sich nach den gleichen Kriterien richten. Entsprechendes gilt, wenn beide Ehegatten Bundesbeamte sind.

 

Rz. 254

 

Beispiel

M und seine Frau F waren fünf Jahre lang verheiratet. In dieser Zeit haben sie beide nur Versorgungsanrechte bei der Deutschen Rentenversicherung Westfalen erworben, M i.H.v. sieben Entgeltpunkten, F i.H.v. drei Entgeltpunkten. Auszugleichen sind aufseiten von M 3,5 Entgeltpunkte und aufseiten von F 1,5 Entgeltpunkte. Genau so wird das FamG aufteilen. Die Verrechnung dieser beiden Anrechte ist dann die Abwicklung dieser Entscheidung. Sie erfolgt durch die Deutsche Rentenversicherung.

 

Rz. 255

Auch in diesen Fällen ist aber genau zu prüfen, ob diese Anrechte wirklich gleichartig sind. Daran kann es schon bei Anrechten in der gesetzlichen Rentenversicherung fehlen (Hauptfall: Entgeltpunkte West stehen Entgeltpunkten Ost gegenüber). Erst recht können derartige Unterschiede bei privaten und betrieblichen Versorgungen bestehen, wo es bei einem Versorgungsträger u.U. eine Vielzahl unterschiedlicher Policen gibt. Gleichartigkeit bedeutet nicht Identität der Anrechte, sondern nur eine grundsätzliche strukturelle Übereinstimmung in den wesentlichen Punkten, wie der Finanzierungsart, dem abgesicherten Risiko, der Dynamik usw. Zur Parallelproblematik bei § 18 VersAusglG siehe die Übersicht Rdn 56).

 

Rz. 256

Noch komplizierter wird die Lage, wenn Anrechte bei verschiedenen Versorgungsträgern bestehen. In diesem Fall ist zunächst zu überprüfen, ob es sich um gleichartige Anrechte handelt. Das kann z.B. bei Anrechten der gesetzlichen Rentenversicherung bei verschiedenen Rentenversicherungsträgern oder bei Beamtenversorgungen aus verschiedenen Bundesländern[174] ebenso der Fall sein wie bei privaten Versorgungen aus kapitalgedeckten Systemen.[175] Nicht gleichartig sind dagegen West- und Ostanrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung und Anrechte aus der gesetzlichen Rentenversicherung mit solchen aus der Beamtenversorgung. In beiden Fällen ist die Dynamik der verglichenen Anrechte unterschiedlich, sodass eine Verrechnung nicht in Betracht kommt.

 

Rz. 257

Außerdem muss überhaupt die Möglichkeit bestehen, dass die Versorgungsträger die Anrechte miteinander verrechnen. Das ist nur dann der Fall, wenn die Versorgungsträger untereinander eine entsprechende Verrechnungsvereinbarung getroffen habe...

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