Rz. 221

§ 77 Abs. 1 FamFG regelt die Möglichkeit zur Stellungnahme für übrige Beteiligte und den Antragsgegner:

Vor der Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe kann das Gericht den übrigen Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme geben.
Im Antragsverfahren ist dem Antragsgegner Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, ob er die Voraussetzungen für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für gegeben hält, soweit dies aus besonderen Gründen nicht unzweckmäßig erscheint.

Auch nach § 118 Abs. 1 S. 1 ZPO, der für Ehe- und Familienstreitsachen gilt (§ 133 Abs. 1 FamFG), ist dem Gegner Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, ob er die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für gegeben hält, soweit dies aus besonderen Umständen nicht unzweckmäßig erscheint.[289] Da in der Kommentarliteratur bis 2014 strittig war, ob der Gegner auch zu den Angaben des Antragstellers über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu hören ist, stellte der Gesetzgeber durch eine Änderung in § 118 Abs. 1 ZPO (zum 1.1.2014) klar, dass dem Antragsgegner umfassend Gelegenheit zu geben ist, zu den Voraussetzungen für eine Bewilligung von PKH Stellung zu nehmen.[290] Mit dieser Regelung wird dem Interesse der Staatskasse an einer möglichst vollständigen und zutreffenden Erklärung des Antragstellers Rechnung getragen.

Dabei berücksichtigt der Gesetzgeber auch, dass auch der Antragsgegner ein Interesse daran hat, nicht auf Staatskosten mit einem Prozess überzogen zu werden, den der Antragsteller möglicherweise auf eigene Kosten nicht führen würde.

 

Rz. 222

Zitat

§ 118 Abs. 1 S. 1 ZPO:[291]

"Dem Gegner ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, ob er die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für gegeben hält, soweit dies aus besonderen Gründen nicht unzweckmäßig erscheint."

 

Rz. 223

Der BGH hat am 25.4.2015 die Frage, ob der Antragsgegner ein subjektives Recht auf Einsichtnahme hat verneint:[292]

Zitat

"Die Bestimmung, wonach bei einem Prozesskostenhilfeantrag die Erklärung und die Belege des Antragstellers dem Gegner auch dann zugänglich gemacht werden dürfen, wenn dieser gegen den Antragsteller nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts einen Anspruch auf Auskunft über die Einkünfte und Vermögen des Antragstellers hat, hat lediglich objektiv-rechtlichen Charakter; sie dient allein einer verbesserten Aufklärung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse durch das Gericht im Interesse zutreffender Ergebnisse bei der Prüfung der Voraussetzungen für die Gewährung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe. § 117 II 2 ZPO gewährt daher dem Gegner eines Antrags auf Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe kein subjektives Recht auf Akteneinsicht in die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers." (von der Schriftleitung Beck-Online bearbeiteter Leitsatz des Gerichts)

 

Rz. 224

Nach § 117 Abs. 2 S. 2 ZPO dürfen die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und die Belege dem Gegner nur mit Zustimmung des Beteiligten zugänglich gemacht werden,

Zitat

"…, es sei denn, der Gegner hat gegen den Antragsteller nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts einen Anspruch auf Auskunft über Einkünfte und Vermögen des Antragstellers. Dem Antragsteller ist vor der Übermittlung seiner Erklärung an den Gegner Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Er ist über die Übermittlung seiner Erklärung zu unterrichten."

 

Rz. 225

Eine vorherige Anhörung kann daher in folgenden Fällen unzweckmäßig sein:

Antrag auf Erlass eines Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wegen Unterhalt bei bestehender Notlage des Antragstellers[293]
Vollstreckung zur Nachtzeit
Vollstreckung einer Durchsuchungsanordnung
Forderungspfändungen (z.B. Lohn- und Kontenpfändungen; etwaige Verfügungen des Schuldners zu Lasten des Gläubigers nach Anhörung können zwar innerhalb der Anfechtungsfristen nach dem Anfechtungsgesetz ggf. angefochten werden, belasten jedoch die Gerichte unnötigerweise)
 

Rz. 226

 

Praxistipp

Ggf. ist bereits im Antrag auf Bewilligung zu den Gründen vorzutragen, warum ggf. von einer Anhörung des Antragsgegners abgesehen werden sollte.

 

Formulierungshilfe

"Es wird dringend gebeten, von einer Anhörung des Antragsgegners zum Prozesskostenhilfeantrag abzusehen, da die Anhörung den Zweck der beantragten einstweiligen Anordnung/Forderungspfändung vereiteln würde (vgl. dazu auch BVerfGE 7, 88)."

 

Rz. 227

Der Antragsgegner erhält im Übrigen keinen prozessualen Kostenerstattungsanspruch, wenn die begehrte VKH abgelehnt und ein Hauptsacheverfahren vom Antragsteller nicht betrieben wird, § 118 Abs. 1 S. 4 ZPO. Häufig hat er jedoch ein Interesse daran, dass der VKH-Antrag abgelehnt wird und er möglicherweise auf diese Weise einem Klageverfahren entgeht, weil der Antragsteller ohne VKH nicht klagen möchte. Bei Vertretung eines Antragsgegners im VKH-Prüfungsverfahren sollte daher ein Hinweis auf entstehende Kosten und mangelnde Kos...

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