Rz. 294

§ 78 Abs. 3 FamFG schränkt die Beiordnung eines Anwalts in Familiensachen, die nicht Ehesachen und nicht Familienstreitsachen sind (denn für diese gilt § 78 FamFG nicht, sondern vielmehr gelten über § 113 Abs. 1 FamFG die allgemeinen Vorschriften der ZPO) dahin ein, dass ein nicht im Bezirk des Verfahrensgerichts niedergelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden kann, wenn hierdurch besondere Kosten nicht entstehen. Nur wenn besondere Umstände dies erfordern, kann dem Beteiligten nach § 78 Abs. 4 FamFG auf seinen Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl zur Wahrnehmung eines Termins zur Beweisaufnahme vor dem ersuchten Richter oder zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Verfahrensbevollmächtigten beigeordnet werden. Für die Ehe- und Familienstreitsachen gelten über § 113 Abs. 1 FamFG die allgemeinen Vorschriften der ZPO. Hier ist das Thema jedoch identisch geregelt. Ein nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt kann nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen, § 121 Abs. 3 ZPO. Wenn besondere Umstände dies erfordern, kann der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl zur Wahrnehmung eines Termins zur Beweisaufnahme vor dem ersuchten Richter oder zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Prozessbevollmächtigten beigeordnet werden, § 121 Abs. 4 ZPO. Nur wenn dies nicht der Fall ist, darf der auswärtige Rechtsanwalt "zu den Bedingungen eines im Bezirk des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwalts" im Sinne von § 46 Abs. 1 RVG beigeordnet werden.

 

Rz. 295

§ 91 ZPO ist m.W.v. 1.6.2007 – geändert worden.[326] Damit wird nicht mehr auf die Zulassung am Ort des Gerichts abgestellt, sondern auf die Niederlassung eines Anwalts im Bezirk des Prozessgerichts. Dies hängt mit der Aufgabe des Lokalisationsprinzips zusammen. Der Gesetzgeber hat die Änderung in § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO wie folgt begründet:[327]

Zitat

"In § 91 Abs. 2 Satz 1 soll für die Erstattung der Reisekosten der obsiegenden Partei nicht mehr darauf abgestellt werden, ob der Anwalt beim Prozessgericht zugelassen, sondern darauf, ob er in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist."

 

Rz. 296

Aufgrund dieser Änderung ist der Rechtsanwalt, der im Bezirk des Gerichts seinen Sitz hat, nicht aber am gleichen Ort, ohne Einschränkungen beizuordnen.[328] Entstehende Reisekosten nach Teil 7 VV RVG sind ihm zu erstatten, § 46 Abs. 1 RVG.

 

Beispiel

RA B. hat seine Kanzlei in Dormagen. Dormagen liegt im Bezirk des Amtsgerichts – Familiengerichts – Neuss. RA B. wird in einer Scheidungssache mit Folgesachen als RA beigeordnet. Er reist zum Gerichtstermin nach Neuss. Ihm sind sämtliche Reisekosten von der Staatskasse zu erstatten (z.B. KM-Pauschale, Abwesenheitsgeld, Nrn. 7003 ff. VV RVG).

 

Rz. 297

 

Beispiel

RA B. hat seine Kanzlei in Dormagen. Dormagen liegt im Bezirk des Amtsgerichts – Familiengerichts – Neuss. RA B. wird in einer Scheidungssache mit Folgesachen als RA zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk ansässigen RA beigeordnet. Die Scheidung erfolgt allerdings vor dem Amtsgericht – Familiengericht – Köln. RA B. reist zum Gerichtstermin nach Köln. Nun ist zu prüfen, ob über § 121 Abs. 4 ZPO die Beiordnung eines Verkehrsanwalts in Frage käme. Da voraussichtlich die Reisekosten von Dormagen nach Köln unter den Kosten eines Verkehrsanwalts liegen, kann RA B. beantragen, ohne Einschränkung "zu den Bedingungen eines im Bezirk des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwalts" beigeordnet zu werden. Seine Reisekosten wird er als auswärtiger Anwalt dann geltend machen können, wenn die Entfernung von Dormagen nach Köln nicht mehr beträgt, als der im Gerichtsbezirk Köln entferntest liegende Ort.[329]

 

Rz. 298

Trotz dieser eindeutigen Gesetzesänderungen ist in der Praxis zwar selten, jedoch immer wieder noch zu beobachten, dass Gerichte einschränkend zu den "Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts" beiordnen. Der Bewilligungs- und Beiordnungsbeschluss sollte daher eingehend und nicht nur "flüchtig" geprüft werden. Gegen eine solche einschränkende Beiordnung sollte ggf. fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt werden.

 

Rz. 299

Zitat

"1. Die Beiordnung eines auswärtigen Rechtsanwalts im Rahmen der PKH-/VKH-Bewilligung kann nicht (mehr) auf die "Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts", sondern ausschließlich auf die "Bedingungen eines im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts" beschränkt werden."

2. Gegen eine insofern unzutreffende Einschränkung seiner Beiordnung ist die sofortige Beschwerde des beigeordneten Rechtsanwalts zulässig.“[330]

 

Rz. 300

Zitat

"Die Beiordnung eines auswärtigen Verfahrensbevollmächtigten "zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts" ist nicht zulässig. Die höchstmögliche Einschränkung darf lauten: "Zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts". Steht bereits bei der Beiordnung fest, dass die Entfernung der Kanzlei des Rechtsanwalts außerhalb des Gerichtsbezirks geringer ist, als die höchstm...

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