Rz. 62

Das Instrument der Vor- und Nacherbschaft (wegen Einzelheiten vgl. § 9) kann sich insbesondere in solchen Konstellationen als Gestaltungsmittel anbieten, in denen der eigentlich ins Auge gefasste Unternehmensnachfolger noch nicht in der Lage ist, die unternehmerische Verantwortung selbst zu übernehmen. Das gilt beispielsweise bei noch minderjährigen bzw. in der Ausbildung befindlichen Kindern. Hier kann man darüber nachdenken, für eine Übergangsphase, sozusagen interimistisch, eine andere Person (den Vorerben) als Unternehmensnachfolger zu installieren.

So praktisch eine derartige Lösung auf den ersten Blick erscheinen mag, so problematisch ist sie doch in der Umsetzung: Insbesondere das Verbot unentgeltlicher Verfügungen (§ 2113 Abs. 2 BGB) kann es dem Vorerben sehr schwer machen, der übertragenen unternehmerischen Verantwortung tatsächlich gerecht zu werden.[77]

 

Rz. 63

Denn eine unentgeltliche Verfügung i.S.v. § 2113 Abs. 2 BGB ist immer dann gegeben, wenn der Vorerbe über einen Nachlassgegenstand verfügt, ohne dass dem Nachlass eine objektiv gleichwertige Gegenleistung zufließt.[78] Dies kommt beispielsweise dann in Betracht, wenn der Vorerbe den Gesellschaftsanteil kündigt oder einer Einziehung des Anteils zustimmt, wenn – in beiden Fällen – die im Gegenzug zu beanspruchende Abfindung hinter dem tatsächlichen Wert (Verkehrswert) der Beteiligung zurückbleibt. Problematisch sind mitunter auch Änderungen des Gesellschaftsvertrages, denen der Vorerbe zustimmen soll.[79] Soweit diese sich auf den Umfang der mit der Beteiligung verbundenen Rechte nachteilig auswirken, stellt sich auch hier die Frage nach einem Verstoß gegen § 2113 Abs. 2 BGB. Auch wenn hier viele Einzelheiten – mitunter heftig – umstritten sind, geht mit Vor- und Nacherbschaft im Unternehmensbereich regelmäßig ein erhebliches Streitpotential einher.

 

Rz. 64

Vor diesem Hintergrund kann es angeraten sein, die Rechtsposition des Vorerben dadurch zu stärken, dass der Nacherbe im Wege der Auflage verpflichtet wird, sämtlichen Verfügungen des Vorerben zuzustimmen bzw. derentwegen keine Regressansprüche geltend zu machen. Vorsichtshalber wird man derartige Anordnungen auf Maßnahmen im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung des Unternehmens bzw. der Unternehmensbeteiligung begrenzen wollen, was sogleich die Frage aufwirft, wie diese "ordnungsgemäße Verwaltung" definiert werden soll. Unter Umständen kann insoweit auch einem Testamentsvollstrecker die Entscheidung überlassen werden. Dieser wird dann sinnvollerweise auch die Rechte des Nacherben als Nacherbentestamentsvollstrecker wahrnehmen.

 

Rz. 65

Muster 8.3: Befreiung des Vorerben

 

Muster 8.3: Befreiung des Vorerben

Der Vorerbe ist in Bezug auf mein der Vor- und Nacherbschaft unterliegendes Unternehmen _________________________ (genaue Umschreibung) von allen gesetzlichen Beschränkungen im weitestmöglichen Umfange befreit. Soweit der Vorerbe im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung des Unternehmens bzw. der unternehmerischen Beteiligungen an Änderungen des Gesellschaftsvertrages und/oder Kapitalmaßnahmen mitwirkt oder die Gesellschafterstellung gegen Gewährung einer hinter dem Verkehrswert zurückbleibenden Abfindung aufgibt, beschwere ich den Nacherben mit der Auflage, wegen dieser Maßnahmen keine Regressansprüche geltend zu machen bzw. dem Vorerben seine Zustimmung zu diesen Maßnahmen zu erteilen.

Ich ordne Testamentsvollstreckung für den Nacherben an. Der Testamentsvollstrecker hat die Rechte des Nacherben gegenüber dem Vorerben bis zum Eintritt des Nacherbfalles wahrzunehmen. Des Weiteren ordne ich Testamentsvollstreckung für den Nacherben in der Weise an, dass auch nach Eintritt des Nacherbfalles der Testamentsvollstreckung sämtliche Rechte und Ansprüche des Nacherben gegenüber dem Vorerben unterliegen.

[77] Vgl. hierzu auch Wachter, in: Bonefeld/Wachter, Der Fachanwalt für Erbrecht, § 24 Rn 55 unter Hinweis auf BGHZ 78, 177 = NJW 1981, 115.
[78] MüKo/Lieder, § 2113 Rn 41.
[79] MüKo/Lieder, § 2113 Rn 43 f.

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