a) Typisierung

 

Rz. 20

Unbebaute Grundstücke sind gem. § 178 BewG Grundstücke, auf denen sich keine benutzbaren Gebäude befinden, oder lediglich Gebäude, die auf Dauer keiner Nutzung zugeführt werden können bzw. in denen infolge von Zerstörung oder Verfall auf Dauer kein benutzbarer Raum mehr vorhanden ist.

 

Rz. 21

Die Benutzbarkeit beginnt im Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit des Gebäudes. Nach Auffassung der Finanzverwaltung muss den zukünftigen Bewohnern oder sonstigen Benutzern nach objektiven Merkmalen zugemutet werden können, die Wohnungen oder Räume des gesamten Gebäudes zu benutzen. Geringfügige Restarbeiten, die üblicherweise vor dem tatsächlichen Bezug durchgeführt werden (z.B. Malerarbeiten, Verlegen des Bodenbelags), schließen die Bezugsfertigkeit nicht aus.[9] Ist das Gebäude am Bewertungsstichtag bezogen, begründet dies die widerlegbare Vermutung der Bezugsfertigkeit.[10]

 

Rz. 22

Bei der Entscheidung, ob ein Gebäude bezugsfertig ist, ist auf das ganze Gebäude und nicht auf einzelne Wohnungen oder Räume abzustellen. Sind z.B. Wohnungen im Erdgeschoss vor dem Bewertungsstichtag, die übrigen Wohnungen jedoch erst danach bezugsfertig geworden, ist das Gebäude als nicht bezugsfertig anzusehen,[11] mithin im Rahmen der Bewertung als Grundstück im Zustand der Bebauung (§ 196 BewG) zu typisieren (siehe Rdn 34 ff.>).

[9] R B 178 Abs. 2 S. 1, 2 und 4 ErbStR 2019.
[10] R B 178 Abs. 2 S. 6 ErbStR 2019.
[11] R B 178 Abs. 3 S. 1 und 2 ErbStR 2019.

b) Bewertung von unbebauten Grundstücken

 

Rz. 23

Der Wert unbebauter Grundstücke ermittelt sich gem. § 179 BewG grundsätzlich aus der Multiplikation der Fläche (die sich dem Grundbuch entnehmen lässt) mit dem für das Grundstück einschlägigen Bodenrichtwert.

c) Bodenrichtwerte

 

Rz. 24

Die Bodenrichtwerte werden für jedes Gemeindegebiet von den jeweiligen gem. § 192 BauGB zu bildenden Gutachterausschüssen nach dem Baugesetzbuch (BauGB) ermittelt, § 196 BauGB. Grundlage sind die Kaufpreissammlungen, mithin die tatsächlich bezahlten Kaufpreise für Grundvermögen. Grundlage der Ermittlung der Bodenrichtwerte ist der Entwicklungszustand des Grundstücks i.S.d. § 5 ImmoWertV, d.h. Agrarland, Bauerwartungsland, Rohbauland, erschließungspflichtiges Bauland und erschließungsbeitragsfreies Bauland.

 

Rz. 25

Bodenrichtwerte sind mindestens zum Ende jedes zweiten Kalenderjahres zu ermitteln. Bei der Wertermittlung ist stets der Bodenrichtwert anzusetzen, der vom Gutachterausschuss zuletzt zu ermitteln war, § 179 S. 3 BewG.

 

Hinweis

Die zuletzt ermittelten Bodenrichtwerte finden auch dann Anwendung, wenn der Gutachterausschuss – wie regelmäßig der Fall – die Festlegung des Werts auf den Stichtag (31.12.) erst nachträglich nach dem Besteuerungszeitpunkt vornimmt und/oder erst dann dem Finanzamt mitgeteilt hat.[12] Daher sollte etwa bei lebzeitigen Immobilienübertragungen, die in den Zeitraum fallen, in dem die Bodenrichtwerte noch nicht ermittelt wurden (regelmäßig die ersten Monate des Kalenderjahres, das auf das Ermittlungsjahr folgt), deren Veröffentlichung abgewartet oder eine Erhöhung einkalkuliert werden.

Die Bodenrichtwerte können in der Regel gebührenpflichtig bei den jeweiligen Gutachterausschüssen (oftmals auch online) abgerufen werden.

[12] R B 179.2 Abs. 1 S. 2 ErbStR 2019.

d) Abweichungen bzw. Anpassungen von Bodenrichtwerten

aa) Wertbeeinflussende Grundstücksmerkmale

 

Rz. 26

Wenn das zu bewertende Grundstück bezüglich seiner lagetypischen Merkmale vom "Standardbodenrichtwertgrundstück" (Bodenrichtwertgrundstück) der einschlägigen Richtwertzone abweicht, kann es zu einer Anpassung des der Bewertung zugrunde zu legenden Bodenrichtwerts kommen. Eine solche Anpassung kann gerade bei großen Grundstücken und/oder in hochwertigen Richtwertzonen zu erheblichen Werterhöhungen und entsprechenden unerwarteten Steuerbelastungen im Rahmen der lebzeitigen Immobilienübertragung führen. Wertbeeinflussende Grundstücksmerkmale sind insbesondere

die Art und das Maß der baulichen Nutzung (abweichende Geschossflächenzahl),
die Grundstückstiefe und die Grundstücksgröße sowie
die Unterteilung in erschließungsbeitragspflichtiges oder erschließungsbeitragsfreies Bauland.[13]
[13] R B 179.2 Abs. 1 S. 7 ErbStR 2019.

bb) Abweichende Geschossflächenzahl (GFZ)

 

Rz. 27

In der Praxis kommt es – gerade in Ballungszentren – im Rahmen der Bewertung regelmäßig zu Anpassungen des Bodenrichtwerts wegen einer abweichenden Geschossflächenzahl des zu bewertenden Grundstücks von der des (für die Bodenrichtwertzone durchschnittlichen) Bodenrichtwertgrundstücks. Die Geschossflächenzahl gibt das Verhältnis der gesamten Geschossfläche aller Vollgeschosse der baulichen Anlagen auf einem Grundstück zu der Fläche des Baugrundstücks wieder, § 20 BauNVO. Die Geschossflächenzahl ist also eine Verhältniszahl zwischen der planrechtlich möglichen Bebauung und der Geschossfläche. Sie ergibt sich aus der städteplanerischen Definition eines Baugebiets und ist ein wesentliches Begrenzungsmaß für die zukünftige Bebauungsdichte. So werden z.B. Einfamilienhausgebiete in der Regel mit einer niedrigen Geschossflächenzahl ausgewiesen und Geschäftszentren mit einer entsprechend hohen Geschossflächenzahl.

 

Rz. 28

Die Bebaubarkeit bzw. Geschossflächenzahl des zu be...

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