Rz. 53

BGH, Urt. v. 22.7.2014 – VI ZR 357/13, zfs 2015, 85 = VersR 2014, 1141

Zitat

BGB § 249 Abs. 1, Abs. 2 S. 1; ZPO § 287

a) Die Kosten für die Begutachtung des bei einem Verkehrsunfall beschädigten Fahrzeugs gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist.
b) Der Schätzung der Höhe der erforderlichen Sachverständigenkosten nach § 287 Abs. 1 ZPO müssen tragfähige Anknüpfungspunkte zugrunde liegen. Sie darf nicht völlig abstrakt erfolgen, sondern muss dem jeweiligen Einzelfall Rechnung tragen.
c) Die losgelöst von den Umständen des Einzelfalls erfolgte Beurteilung des Tatrichters, die von einem Sachverständigen zusätzlich zu einem Grundhonorar berechneten Nebenkosten seien in Routinefällen grundsätzlich in Höhe von 100 EUR erforderlich, während sie, soweit sie diesen Betrag überstiegen, erkennbar überhöht und deshalb nicht ersatzfähig seien, entbehrt einer hinreichend tragfähigen Grundlage.

a) Der Fall

 

Rz. 54

Der Kläger, ein Kfz-Sachverständiger, nahm die Beklagte aus abgetretenem Recht der Frau R. auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall in Anspruch, bei dem der Pkw der Frau R. durch ein von der Beklagten geführtes Fahrzeug beschädigt wurde. Die volle Einstandspflicht der Beklagten stand zwischen den Parteien außer Streit.

 

Rz. 55

Frau R. beauftragte den Kläger mit der Begutachtung ihres beschädigten Fahrzeugs. Der Kläger ermittelte voraussichtliche Reparaturkosten in Höhe von 3.326,66 EUR inklusive 19 % Mehrwertsteuer, eine merkantile Wertminderung von 250 EUR sowie einen Wiederbeschaffungswert von 8.000 EUR inklusive 2,5 % Mehrwertsteuer. Für seine Tätigkeit stellte er Frau R. insgesamt 787,01 EUR inklusive 19 % Mehrwertsteuer in Rechnung. Davon entfielen 434 EUR netto auf das Grundhonorar und insgesamt 227,35 EUR netto auf einzeln ausgewiesene Positionen wie die EDV-Abrufgebühr, Porto, Telefon, Fahrzeugbewertung, Fotos, Fahrtkosten, Schreibgebühren und Fotokopien. Der Haftpflichtversicherer der Beklagten zahlte hierauf vorprozessual 252,50 EUR.

 

Rz. 56

Mit der Klage begehrte der Kläger, soweit in der Revisionsinstanz noch von Interesse, die Zahlung weiterer 534,51 EUR sowie die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, auf die vom Kläger verauslagten Gerichtskosten Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten jährlich über dem Basiszinssatz für die Zeit vom Eingang der eingezahlten Gerichtskosten bis zum Eingang des Kostenfestsetzungsantrags nach Maßgabe der auszuurteilenden Kostenquote zu bezahlen.

 

Rz. 57

Das Amtsgericht hat die Beklagte zur Zahlung eines Betrags in Höhe von 502,77 EUR verurteilt, der sich aus dem Grundhonorar und sämtlichen einzeln ausgewiesenen Positionen mit Ausnahme der Fahrtkosten zusammensetzte. Dem Feststellungsantrag hat es entsprochen. Den weitergehenden Zahlungsantrag hat es abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagen hat das Landgericht das amtsgerichtliche Urteil abgeändert und die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an den Kläger das Grundhonorar und Nebenkosten in Höhe von 100 EUR nebst Mehrwertsteuer abzüglich erbrachter 252,50 EUR, d.h. insgesamt 382,96 EUR, zu zahlen. Die weitergehende Berufung der Beklagten und die Berufung des Klägers hat es zurückgewiesen. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgte der Kläger seinen Klageantrag weiter. Die Beklagte wandte sich mit der Anschlussrevision gegen ihre Verurteilung zur Zahlung von Fahrtkosten und Kosten für Fotokopien sowie die Anfertigung von Lichtbildern in Höhe von insgesamt 58,31 EUR.

b) Die rechtliche Beurteilung

 

Rz. 58

Die Obergrenze für Nebenkosten, die sich für den Geschädigten als noch erforderlich darstelle, schätzte das Landgericht für den Fall eines routinemäßigen Schadensgutachtens für den regionalen Bereich auf 100 EUR. Dieser Betrag ergebe sich unter Berücksichtigung des Aufwands, der unter Wahrung des sachverständigen Ermessensspielraums in Routinefällen regelmäßig nicht überschritten werde. Dabei seien in die Schätzung folgende ersatzfähige Positionen eingeflossen, die bei der Erstellung eines Routinegutachtens regelmäßig anfielen:

Fahrkosten von 0,70 EUR pro Kilometer x 50 km = 35 EUR.
Kosten für das Drucken, Vervielfältigen und Heften des Gutachtens. Lege man maximal zwölf Lichtbilder in Farbe zugrunde und räume man dem Sachverständigen die Möglichkeit ein, über die Lichtbilddokumentation hinaus auch einen Teil seines Gutachtens zur besseren Übersichtlichkeit in Farbe zu drucken, so sei ein Umfang von zehn Seiten Farbdruck und 14 Seiten Schwarz-Weiß-Druck pro Ausfertigung ausreichend. Zu berücksichtigen seien deshalb im Rahmen einer Mischkalkulation die Kosten für drei Ausfertigungen mit je zehn Farbseiten à 1 EUR und 14 Schwarz-Weiß-Seiten à 0,25 EUR zuzüglich jeweils 3 EUR für die Heftung = rund 50 EUR.
Porto, Versand- und Telefonkosten in Höhe von 15 EUR.
Kosten für die Fahrzeugbewertung und die EDV-Abrufgebühr seien dagegen nicht zu berücksi...

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