Rz. 202

BGH, Urt. v. 5.6.2018 – VI ZR 185/16, juris

Zitat

BGB § 249 Abs. 2 S. 1, ZPO § 287

Legt der Geschädigte oder der an seine Stelle getretene Zessionar lediglich die unbeglichene Rechnung über die Sachverständigenkosten vor, genügt ein einfaches Bestreiten der Schadenshöhe durch den beklagten Schädiger oder Haftpflichtversicherer, wenn nicht der Geschädigte oder der Zessionar andere konkrete Anhaltspunkte für den erforderlichen Herstellungsaufwand unter Berücksichtigung der speziellen Situation des Geschädigten beibringt.

a) Der Fall

 

Rz. 203

Die Klägerin, deren Unternehmensgegenstand der Ankauf und die Einziehung von Forderungen ist, nahm den beklagten Haftpflichtversicherer aus abgetretenem Recht auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 15.10.2013 in Anspruch, bei dem der Pkw Nissan Micra von Frau B. (im Folgenden: Geschädigte) durch den Versicherungsnehmer der Beklagten beschädigt wurde. Die volle Einstandspflicht der Beklagten stand zwischen den Parteien dem Grunde nach außer Streit.

 

Rz. 204

Das Sachverständigenbüro K. fertigte unter dem 22.10.2013 im Auftrag der Geschädigten ein Gutachten, wofür 495,64 EUR in Rechnung gestellt wurden.

Die Geschädigte unterzeichnete eine formularmäßige Abtretungsvereinbarung vom 18.10.2013 mit folgendem Wortlaut:

Zitat

Hiermit trete ich/wir aus den Schadensersatzansprüchen zu dem oben genannten Unfall/Schadensfall gegen den Fahrer, den Halter und die Versicherung des unfallbeteiligten Fahrzeuges oder gegen sonstige Schadensverursacher ausschließlich das Gutachtenhonorar inklusive 19 % Mehrwertsteuer in Höhe des Rechnungsbetrages erfüllungshalber und unwiderruflich an die K. Gutachtergruppe... ab.

Bei Vorsteuerabzugsberechtigung wird die anteilige Mehrwertsteuer von den Gutachterkosten vorab von mir ausgeglichen.

 

Rz. 205

Das Sachverständigenbüro trat diese Ansprüche seinerseits an die Klägerin ab. Die Beklagte zahlte auf die Sachverständigenkosten vorgerichtlich 390 EUR an die Klägerin. Die Rechnung im Übrigen sah sie als überhöht an. Mit der vorliegenden Klage nimmt die Klägerin die Beklagte auf Zahlung der Differenz von 105,64 EUR in Anspruch.

 

Rz. 206

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die vom Amtsgericht zugelassene Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrte die Beklagte die Wiederherstellung des klageabweisenden erstinstanzlichen Urteils.

b) Die rechtliche Beurteilung

 

Rz. 207

Das Berufungsurteil hielt revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Zutreffend und von der Revision nicht angegriffen hatte das Berufungsgericht angenommen, dass der Geschädigten dem Grunde nach ein Anspruch gegen die Beklagte auf Ersatz der Kosten des eingeholten Sachverständigengutachtens aus §§ 7, 18 StVG, § 115 VVG zustand. Denn diese Kosten gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist (vgl. nur Senatsurt. v. 19.7.2016 – VI ZR 491/15, VersR 2016, 1387 Rn 10).

 

Rz. 208

Rechtlich unbedenklich war das Berufungsgericht weiter davon ausgegangen, dass die Geschädigte diesen Anspruch wirksam an den Sachverständigen und dieser ihn wirksam an die Klägerin abgetreten hatte. Entgegen der Auffassung der Revision war die Abtretungsvereinbarung vom 18.10.2013 zwischen dem Sachverständigenbüro und der Geschädigten hinreichend bestimmt.

 

Rz. 209

Nach ihrem eindeutigen Wortlaut erfasste sie im Gegensatz zu dem der Senatsentscheidung vom 7.6.2011 (VI ZR 260/10, VersR 2011, 1008) zugrunde liegenden Fall keine Mehrzahl von Forderungen im Sinne sämtlicher Ansprüche der Geschädigten aus dem betreffenden Verkehrsunfall. Die Abtretung sollte ersichtlich ausschließlich die Forderung auf Ersatz der Gutachterkosten zuzüglich Mehrwertsteuer erfassen. Die Bezugnahme auf die Höhe des Rechnungsbetrages stellt lediglich eine Verbindung her zur Höhe der Honorarforderung des Sachverständigen. Dafür, dass gegebenenfalls eine "Auffüllung" mit anderen Schadensersatzforderungen der Geschädigten aus dem genannten Verkehrsunfall erfolgen sollte, war der Abtretungserklärung nichts zu entnehmen. Soweit die Revision eine Unklarheit der weiteren Klausel bezüglich der Vorsteuerabzugsberechtigung geltend machte, kam es hierauf nicht an, weil eine Vorsteuerabzugsberechtigung der Geschädigten im Streitfall nicht festgestellt war. Die Revision zeigte hierzu auch keinen (übergangenen) Sachvortrag der Beklagten auf.

 

Rz. 210

Die Revision wandte sich aber mit Erfolg gegen die vom Berufungsgericht angenommene Höhe der für die Begutachtung des beschädigten Fahrzeugs erforderlichen Kosten. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Höhe der vom Sachverständigenbüro in Rechnung gestellten Honorarsumme nebst Nebenkosten sei als Indiz im vorliegenden Schadensersatzprozess ausreichend, war rechtsfehlerhaft.

 

Rz. 211

Allerdings ist die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs in erster...

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