Rz. 125

BGH, Urt. v. 28.2.2017 – VI ZR 76/16, VersR 2017, 636

Zitat

BGB §§ 249 Abs. 1, Abs. 2 S. 1, 632 Abs. 2; ZPO § 287

1. Die Kosten für die Begutachtung des bei einem Verkehrsunfall beschädigten Fahrzeugs gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist.
2. Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Tatrichter im Rahmen der Schätzung der Höhe dieses Schadensersatzanspruchs bei subjektbezogener Schadensbetrachtung gem. § 287 ZPO bei Fehlen einer Preisvereinbarung zwischen dem Geschädigten und dem Sachverständigen und Abtretung des Schadensersatzanspruchs an den Sachverständigen bei Erteilung des Gutachtenauftrages an die übliche Vergütung gemäß § 632 Abs. 2 BGB anknüpft, denn der verständige Geschädigte wird unter diesen Umständen im Regelfall davon ausgehen, dass dem Sachverständigen die übliche Vergütung zusteht.

a) Der Fall

 

Rz. 126

Die Klägerin, eine Einzugsstelle unter anderem für Sachverständigenhonorare, begehrte von der beklagten Haftpflichtversicherung aus abgetretenem Recht Ersatz restlicher Sachverständigenkosten aus einem Verkehrsunfall vom Januar 2015, bei dem ein Golf GTD beschädigt wurde. Sie verfügte über eine Inkassoerlaubnis nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 RDG. Die volle Einstandspflicht der Beklagten stand dem Grunde nach außer Streit. Die Geschädigte beauftragte den Kraftfahrzeugsachverständigen Dr. Ing. H. mit der Erstellung eines Gutachtens zur Schadenshöhe und trat ihm ihren Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten in Höhe des Bruttoendbetrages der Rechnung des Sachverständigen erfüllungshalber ab. Im Gutachtenauftrag ist festgehalten, dass der Sachverständige sein Honorar nach der ermittelten Schadenshöhe zuzüglich der entstandenen Nebenkosten berechnet. Der Sachverständige fertigte unter dem 9.1.2015 ein Gutachten. Danach ergaben sich Reparaturkosten in Höhe von 4.309,95 EUR netto und eine Wertminderung von 500 EUR. Für die Begutachtung erstellte er am selben Tag eine Rechnung über 867 EUR brutto, die ein Grundhonorar von 603 EUR und Nebenkosten in Höhe von 125,57 EUR (Schreibkosten je Seite 2,93 EUR, erster Fotosatz je Foto 2,53 EUR, Fahrtkosten 30,80 EUR, Porto-/Telekommunikationskosten 15 EUR) auswies. Mit Vertrag vom 10.1.2015 trat der Sachverständige die Ansprüche an die Klägerin ab. Hierauf zahlte die Beklagte an die Klägerin 761,60 EUR. Hinsichtlich des Mehrbetrages von 105,40 EUR, der nebst Zinsen Gegenstand der Klage war, machte sie geltend, dass sowohl das Grundhonorar als auch die Nebenkosten überhöht seien.

 

Rz. 127

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die vom Amtsgericht zugelassene Berufung der Beklagten hat das Landgericht das Urteil abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 48,91 EUR zu bezahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrte die Klägerin die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

b) Die rechtliche Beurteilung

 

Rz. 128

Das Berufungsurteil hielt revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.

Zutreffend und von der Revision nicht angegriffen hatte das Berufungsgericht angenommen, dass der Geschädigten dem Grunde nach ein Anspruch gegen die Beklagte auf Ersatz der Kosten des eingeholten Sachverständigengutachtens aus §§ 7, 18 StVG, § 115 VVG zustand. Denn diese Kosten gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist.

Rechtlich unbedenklich war das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Geschädigte diesen Anspruch wirksam an den Sachverständigen und dieser ihn wirksam an die Klägerin abgetreten hatte.

 

Rz. 129

Die Revision wandte sich im Ergebnis ohne Erfolg gegen die vom Berufungsgericht angenommene Höhe der für die Begutachtung des beschädigten Fahrzeugs erforderlichen Kosten. Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs ist in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders frei gestellten Tatrichters. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter erhebliches Vorbringen der Parteien unberücksichtigt gelassen, Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat. Es ist insbesondere nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, dem Tatrichter eine bestimmte Berechnungsmethode vorzuschreiben.

 

Rz. 130

Derartige Rechtsfehler waren nicht gegeben. Entgegen der Auffassung der Revision begegnete es unter den Umständen des Streitfalls keinen rechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht seiner Schätzung die übliche Vergütung für die Leistung des Sachverständigen Dr. Ing. H. zugrunde gelegt hatte.

Ist wegen der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB statt der Herstellung ...

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