Rz. 266

Auf die Inanspruchnahme eines Mietfahrzeugs soll insgesamt verzichten, wer mit dem Fahrzeug lediglich eine sehr geringe Fahrleistung absolviert. Die sog. Missbrauchsgrenze liegt nach Auffassung eines großen Teils der Rechtsprechung bei 20 km.[322] Lediglich 12[323] bzw. 18[324] Kilometer sind dagegen bereits als nicht ausreichend erachtet worden. Auch bei einem täglichen Fahrbedarf von 22 km[325] oder 30 bis 40 km[326] pro Tag kann es dem Geschädigten zumutbar sein, jeweils ein Taxi zu nehmen.

 

Rz. 267

Muster 8.71: Erfordernis eines täglichen Fahrbedarfs

 

Muster 8.71: Erfordernis eines täglichen Fahrbedarfs

Der Geschädigte darf einen Mietwagen erst bei einem täglichen Fahrbedarf von mehr als 20 km auf Kosten des Schädigers in Anspruch nehmen und muss sich ansonsten auf die Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsmittel oder eines Taxis verweisen lassen (OLG Bamberg DAR 2015, 639; OLG Hamm NZV 1995, 356; OLG München VersR 1993, 768). Ausweislich der Mietwagenrechnung sind mit dem angemieteten Fahrzeug in _________________________ Tagen lediglich _________________________ Kilometer gefahren worden. Dies entspricht _________________________

Kilometer täglich. Es hätte sich aufdrängen müssen, dass Mietwagenkosten von weit über _________________________ unverhältnismäßig sind im Vergleich zu Taxikosten, die unter _________________________ liegen (OLG Hamm NZV 2002, 82).

Bei einem derart geringen Fahrbedarf ist dem Geschädigten ein Ausweichen auf öffentliche Nahverkehrsmittel oder ggf. ein Taxi zumutbar (LG München SP 2005, 386; AG Kehl, Urt. v.18.2.2015 – 4 c 344/14, juris).

 

Rz. 268

Ob ein ausreichender Fahrbedarf für die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs besteht, ist immer nach den Besonderheiten des Einzelfalls zu prüfen:[327] Grundsätzlich hat der Geschädigte das Erfordernis einer ständigen Verfügbarkeit seines Pkw trotz des geringen Fahrbedarfs näher zu begründen. Eine solche Ausnahme kann vorliegen, wenn der Geschädigte auf das Mietfahrzeug aus beruflichen oder familiären Gründen ständig angewiesen ist und das Fahrzeug quasi "abrufbereit" benötigt.[328] Auch persönliche eingeschränkte körperliche Mobilität ist relevant.[329] Diese Erwägungen können insbesondere im ländlichen Raum eingreifen, wenn vor Ort keine ausreichenden öffentlichen Verkehrsmittel vorhanden sind[330] oder bei einer Familie mit zwei Kleinkindern, wo jederzeit nicht vorhersehbare Fahrten notwendig sein können.[331] Auch kann die ständige Verfügbarkeit aus betrieblichen Gründen bei nicht vorhersehbaren Auslieferungsfahrten begründet sein.[332] Wird ein täglicher Fahrbedarf in ausreichender Höhe abgelehnt, steht dem Geschädigten aber immerhin ein entsprechender pauschal zu berechnender Nutzungsausfall zu.[333]

 

Rz. 269

Muster 8.72: Ausgleich von Mietwagenkosten bei geringer Nutzung

 

Muster 8.72: Ausgleich von Mietwagenkosten bei geringer Nutzung

_________________________ Versicherung AG

_________________________

_________________________

Schaden-Nr./VS-Nr./Az. _________________________

Schaden vom _________________________

Pkw _________________________, amtl. Kennzeichen _________________________

Sehr geehrte Damen und Herren,

in vorbezeichneter Schadensache lehnen Sie zu Unrecht den Ersatz der geforderten Mietwagenkosten ab.

Die Erforderlichkeit des Fahrbedarfs bei der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs richtet sich nach dem Einzelfall (BGH NJW 2013, 1149) und den konkreten Umständen, die den Lebensbereich des Geschädigten prägen und findet ihre Grenze erst in einem reinen Bequemlichkeits- oder Statusdenken des Geschädigten (LG Stendal NZV 2006, 42). Der Geschädigte ist trotz verhältnismäßig geringer Fahrleistung zur Inanspruchnahme eines Mietfahrzeugs berechtigt, wenn ausnahmsweise besondere berufliche oder familiäre Gründe die ständige Kfz-Verfügbarkeit erfordern (OLG Bamberg DAR 2015, 639; OLG Hamm NZV 1995, 356). Das war hier der Fall. Hier ist zu berücksichtigen, dass _________________________

Demgemäß besitzt mein Mandant einen Anspruch auf Ausgleich der gesamten Mietwagenkosten. Ich habe Sie deshalb aufzufordern, den noch offenen Restbetrag in Höhe von _________________________ EUR unverzüglich, spätestens jedoch bis zum

_________________________ (10-Tages-Frist)

auf das Ihnen bekannte Konto meines Mandanten auszugleichen. Nach fruchtlosem Fristablauf werde ich meinem Mandanten die Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe empfehlen.

Mit freundlichen Grüßen

(Rechtsanwalt)

[322] OLG Bamberg DAR 2015, 639; OLG Frankfurt, Urt. v. 17.1.1996 – 13 U 258/94 – juris; OLG München VersR 1993, 768: LG Frankenthal SVR 2007, 344; LG Baden-Baden zfs 2003,16; LG Karlsruhe MittBl ARGE VerkR 2000; LG Darmstadt VersR 1995, 1328; AG Kassel zfs 1995, 373.
[323] OLG Hamm NJOZ 2001, 1590; AG Osnabrück SP 2009, 404.
[324] LG München SP 2005, 386.
[325] OLG Hamm NZV 1995, 356; LG München SP 2005, 386.
[326] LG Gera, Urt. v. 8.12.2010 – 1 S 461/07 – juris; LG Wuppertal NJW 2012, 1971.
[327] BGH NJW 2013, 1149; LG Stendal NJW 2005, 3787; AG Bremervörde, Urt. v. 28.3.2014 – 5 C 300/13 – juris.
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