Rz. 53

Das Insolvenzverfahren bewirkt ebenso wie die Nachlassverwaltung eine Gütersonderung zwischen Nachlass und Eigenvermögen.[117] Das Sonderinsolvenzverfahren Nachlassinsolvenz betrifft nur den Nachlass und nicht das Eigenvermögen des Erben.[118] Dabei wird der Umfang der Insolvenzmasse Nachlass durch den Bestand am Tag der Verfahrenseröffnung und nicht am Tag des Erbfalls bestimmt.[119]

 

Hinweis

Insolvenzmasse ist der gesamte Nachlass eines Erblassers. Über Miterbenanteile kann keine Nachlassinsolvenz eröffnet werden, § 316 Abs. 3 InsO.[120]

 

Rz. 54

Der Nachlassinsolvenzverwalter hat den Nachlass vom Erben heraus zu verlangen (§§ 1978, 667 BGB) und in Besitz zu nehmen (siehe unten Rdn 82 ff.). Herausgegeben und verwertet werden nach h.M. wegen § 36 InsO nicht die nach § 811 ZPO unverwertbaren Gegenstände, obwohl diese den Gläubigern i.R.d. § 1990 BGB haften.[121]

 

Rz. 55

Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Nachlassgegenstände geht ex nunc vom Erben auf den Nachlassinsolvenzverwalter über, § 80 InsO:

 

Hinweis

Vollmachten erlöschen nach § 118 Abs. 1 InsO. Ein gutgläubiger Erwerb oder ein leistungsbefreiendes Bewirken an die Erben ist nach Maßgabe der §§ 81, 82 InsO denkbar.

 

Rz. 56

Verfügungen und Verwaltungsmaßnahmen des Erben aus der Zeit vor der Eröffnung bleiben wirksam. Es gibt – außer bei Miterben nach § 2041 BGB – keine dingliche Surrogation (h.M.).[122] Vielmehr muss der Insolvenzverwalter prüfen, ob Ersatzansprüche gegen den Erben nach §§ 1978, 1980 BGB in Betracht kommen und diese durchsetzen, § 1978 Abs. 2 BGB.[123] Der Erbe mag seinerseits Aufwendungsersatzansprüche aus § 1978 Abs. 3 BGB haben, die nach h.M. verrechnet werden können.[124] Ein Zurückbehaltungsrecht gegen den Herausgabeanspruch in Bezug auf den Nachlass kann der Erbe aber nicht geltend machen, § 323 InsO.

 

Rz. 57

Hat der Erbe bereits Forderungen von Nachlassgläubigern befriedigt, so haben auch die damit einhergehenden Verfügungen Bestand. Solange der Erbe zum Zeitpunkt der Befriedigung der Gläubigerforderung davon ausgehen konnte, dass der Nachlass ausreicht, muss er keine Regressansprüche fürchten. Ist das nicht der Fall, steht der Masse (dem Nachlass) ein Anspruch aus § 1980 Abs. 2 S. 1 BGB gegen den Erben zu, vgl. § 1979 BGB.[125]

 

Rz. 58

Etwas anderes gilt in Bezug auf Pflichtteilsansprüche, Vermächtnisse und Auflagen. Diese sind nach § 322 InsO anfechtbar,[126] weil nachrangig zu erfüllen. Darüber hinaus kommt eine Anfechtung nach den allgemeinen Regeln der §§ 129 ff. InsO in Betracht.[127]

 

Rz. 59

Auch Gläubiger, deren Forderungen durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nach dem Erbfall erfüllt wurden, können den Erlös nicht behalten; denn § 321 InsO erweitert die Rückschlagsperre des § 88 InsO.[128]

[117] Lebensversicherungen mit bezugsberechtigtem Dritten fallen nicht in die Masse; hier kommen aber ein Widerruf des Schenkungsangebotes bzw. eine Anfechtung nach § 134 InsO durch den Insolvenzverwalter in Betracht, siehe etwa BeckOGK/Herzog, § 1975 BGB Rn 227.3; Jünemann, ZErb 2010, 342 ff.; BGH, Urt. v. 22.10.2015 – IX ZR 248/14, ErbR 2016, 143 = ZEV 2015, 720; BGH, Beschl. v. 27.4.2010 – IX ZR 245/09, NZI 2010, 646; OLG Saarbrücken, Urt. v. 3.3.2010 – 5 U 233/09, ZEV 2010, 420. Zur Frage, in wessen Masse das Nachvermächtnis fällt, siehe Muscheler, AcP (208) 2008, 95. Zur Lebensversicherung in der Insolvenzanfechtung bei Nachlassinsolvenz, siehe auch Jünemann, ErbR 2017, 550.
[118] Staudinger/Dobler, § 1975 BGB Rn 29.
[119] Jünemann, ZErb 2011, 59, 63.
[120] Staudinger/Dobler, § 1975 BGB Rn 31.
[121] Jünemann, ZErb 2011, 59, 62; BeckOGK/Herzog, § 1975 Rn 233.1.
[122] Staudinger/Dobler, § 1975 BGB Rn 8 und § 1978 Rn 15, 17 ff.
[123] Bartsch, ZErb 2010, 345, 347 m.w.N.
[124] MüKo/Siegmann/Scheuing, § 323 InsO Rn 3; a.A. Nöll, ZInsO 2010, 1866, 1870 f.
[125] Bartsch, ZErb 2010, 345, 347 m.w.N.
[126] Jünemann, ZErb 2011, 59, 65.
[127] Siehe näher BeckOGK/Herzog, § 1975 BGB Rn 246 ff.
[128] So zutreffend Jünemann, ZErb 2011, 59, 64 m.w.N. auch zur h.M.; siehe auch Staudinger/Dobler, § 1975 BGB Rn 46 und BeckOGK/Herzog, § 1975 BGB Rn 240 ff.

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