Rz. 29

Wie oft haben Sie eine Akte, in der der Gerichtsort und der Kanzleisitz voneinander entfernt sind, bzw. sich nicht in derselben politischen Gemeinde befinden? In vielen Fällen ist es für den RA unkompliziert, auch den "auswärtigen Gerichtsort" zu erreichen. Wird die Entfernung zwischen Kanzleisitz und Gerichtsort aber größer, so stellt sich in der Praxis oft die Frage, ob der RA die Gerichtstermine selbst wahrnehmen soll, oder ob ein weiterer RA mit der Vertretung vor Ort beauftragt wird. Dieser Kollege hat dann seine Kanzlei naturgemäß am Gerichtsort.

 

Rz. 30

Ob ein RA den Gerichtstermin selbst wahrnehmen kann oder sollte, ist auch immer eine Frage der zu erwartenden Vergütung. Ist der gesetzliche Gegenstandswert gering, ist es aus wirtschaftlichen Gründen für den RA unrentabel, den Termin selbst wahrzunehmen. Seine Abwesenheit von der Kanzlei wird durch die völlig ungenügenden Abwesenheitsgelder kompensiert. Die Höhe dieser Abwesenheitsgelder (Nr. 7005 VV RVG) zwingt den RA, hier anders vorgehen zu müssen.

 

Rz. 31

Er kann dabei von Anfang an mit dem Auftraggeber eine Vergütungsvereinbarung abschließen.

 

Rz. 32

Beauftragt der RA für den Auftraggeber einen weiteren RA, so ist davon auszugehen, dass selbst im Fall des Obsiegens der Gegner nur einen RA bezahlen muss. Zu den gebührenrechtlichen Einzelheiten s. hierzu Rdn 601.

 

Rz. 33

Der RA weiß also im Moment der Beauftragung eines zweiten Kollegen, dass der Auftraggeber mit Kosten rechnen muss, die er von keiner Seite erstattet bekommen wird. Auch eine Rechtsschutzversicherung, die ggf. ansonsten die Vergütung zahlt, zahlt die Kosten für die Hinzuziehung eines zweiten RA regelmäßig nicht in voller Höhe. Eine Rechtsschutzversicherung zahlt auch erst dann, wenn der Wohnort des Versicherungsnehmers (=Auftraggeber) mehr als 100 km Luftlinie vom Gerichtsort entfernt ist. Die RSV zahlt dann lediglich 1,0 Gebühren,

 

Rz. 34

Den RA trifft hier eine Belehrungspflicht, in dem Moment, in dem feststeht, dass das gerichtliche Verfahren nicht am Kanzleisitz stattfinden wird und er den Termin nicht wahrnehmen kann und wird. Es ist dringend dazu zu raten, den Mandanten hier rechtzeitig (also vor Beginn des gerichtlichen Verfahrens) auf die Kostenfolge hinzuweisen.

 

Rz. 35

Muster 8.4: Belehrungsschreiben Mandant/Zweiter RA/Gerichtsort

 

Muster 8.4: Belehrungsschreiben Mandant/Zweiter RA/Gerichtsort

Anrede,

in Ihrer Angelegenheit ist für die Durchführung des streitigen Verfahrens das AG/LG in _________________________ zuständig. Den oder die zu erwartenden Gerichtstermine können wir ohne den Abschluss einer Vergütungsvereinbarung nicht wahrnehmen. Aufgrund des niedrigen gesetzlichen Gegenstandswertes ist es für Sie günstiger, wenn wir einen Anwalt am Gerichtsort einschalten, der vor dem Gericht Ihre Interessen vertritt. Ohne zusätzliche Vergütungsvereinbarung kann eine wirtschaftliche Vertretung Ihrer Interessen durch uns nicht erfolgen.

Für die Hinzuziehung eines weiteren Anwalts müssen Sie eine weitere Vergütung einplanen. Dabei ist die finanzielle Belastung für Sie jedoch dadurch geringer, dass auf unserer Seite keine Abwesenheitsgelder und keine Fahrtkosten oder sonstigen Reisekosten erhoben werden.

Sollten Sie im gerichtlichen Verfahren obsiegen, werden Teile der Kosten des zweiten Anwalts nicht erstattungsfähig sein. Die Höhe des verbleibenden nicht erstattungsfähigen Anteils berücksichtigt aber immer, dass für den Fall, dass wir den Termin wahrgenommen hätten, hier Fahrtkosten, Abwesenheitsgelder u.a. entstanden wären.

Da die Beauftragung eines zweiten RA günstiger für Sie ist als der Abschluss einer Vergütungsvereinbarung mit uns, gehen wir davon aus, dass Sie mit unserer Vorgehensweise einverstanden sind und werden einen sog. Unterbevollmächtigten in Ihrem Namen beauftragen.

Grußformel

 

Hinweis:

Ein weiteres umfangreiches Textmuster mit Berechnungsbeispielen für den Auftraggeber finden Sie unter Rdn 610 sowie unter Rdn 320.

 

Rz. 36

Gerade wenn Sie die Forderung des Auftraggebers im Wege des gerichtlichen Mahnverfahrens verfolgen, kann es sein, dass aufgrund der ausschließlichen Zuständigkeit für den Antrag auf Erlass des Mahnverfahrens im Mahnverfahren noch das Gericht am Kanzleisitz zuständig ist. Bei vielen Streitigkeiten haben sowohl der Antragsteller (zukünftiger Kläger) als auch der Antragsgegner den Wohn- oder Geschäftssitz am selben Gericht. Ist dies nicht der Fall und hat der Antragsgegner (zukünftige Beklagte) seinen Wohn- oder Geschäftssitz nicht am Kanzleisitz und/oder Wohnsitz des Auftraggebers, ergibt sich das Problem mit der Notwendigkeit der Hinzuziehung eines zweiten RA spätestens nach dem Widerspruch, wenn das Verfahren an das zuständige Prozessgericht erster Instanz abgegeben wird. Ausführliche Beispiele und weitere Formulierungsvorschläge sowie Berechnungen der Vergütungsfolge finden Sie unter Rdn 610. Die Kosten für die Hinzuziehung mehrerer Anwälte sind regelmäßig nicht erstattungsfähig.

 

Rz. 37

Eine Belehrungspflicht wird auch immer dann angenommen, wenn der RA im ...

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