Rz. 141

Sieht eine gesetzliche Regelung lediglich das Formerfordernis der Schriftlichkeit einer Erklärung vor, so ist die Textform i.S.d. § 126b BGB ausnahmsweise auch ohne gesetzliche Verweisung zugelassen, wenn dies nach dem Normzweck ausreichend ist. Ergibt dieser, dass Schriftform und elektronische Form nicht vonnöten sind, weil die Warn- und Beweisfunktion keine wesentliche Rolle spielen, ist die Einhaltung der Textform notwendig, aber auch hinreichend.[128] Maßgeblich ist, ob der funktionale Mehrwert der eigenhändigen Unterschrift bzw. der qualifizierten elektronischen Signatur erforderlich ist. Das dürfte insbesondere bei Mitteilungen nicht der Fall sein, die (anders z.B. als empfangsbedürftige Willenserklärungen) keine rechtliche Verbindlichkeit haben.[129]

 

Rz. 142

§ 17 KSchG: Massenentlassungen

Nach § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG ist der Arbeitgeber für den Fall einer anzeigepflichtigen Massenentlassung verpflichtet, dem Betriebsrat zweckdienliche Auskünfte zu erteilen und über die in § 17 Abs. 2 S. 1 Nr. 1–6 KSchG genannten Aspekte schriftlich zu unterrichten. Mit der Einführung der Textform in § 613a Abs. 5 BGB für die Unterrichtung der von einem Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer ist die Unterrichtung des Betriebsrates nach § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG ein typischer Fall, in dem es lediglich auf die Dokumentation und Information ankommt. Der Betriebsrat soll über einen bestimmten Fall informiert werden, auf den er rechtlich mit einer Stellungnahme reagieren soll.[130] Entsprechend kann der Arbeitgeber die Mitteilung an den Betriebsrat der Agentur für Arbeit in Textform übermitteln, § 17 Abs. 3 S. 1 KSchG. Der Umstand, dass ohne Anzeige vorgenommene Massenentlassungen unwirksam sind,[131] führt nicht zum Schriftformerfordernis nach § 126 BGB, da die rechtserhebliche Folge der Anzeige lediglich der Fristbeginn nach § 18 KSchG ist.

Für die Anwendung von § 17 KSchG ist zudem zu berücksichtigen, dass nach Ansicht des EuGH der Begriff der "Entlassung" i.S.d. Art. 2–4 der Massenentlassungsrichtlinie 98/59/EG mit der Kündigungserklärung des Arbeitgebers gleichzusetzen ist.[132] Dieser Auffassung folgt das BAG durch richtlinienkonforme Auslegung des § 17 KSchG.[133] Es gibt somit seine frühere Rechtsprechung auf, die auf die beabsichtigte tatsächliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses als maßgeblichen Zeitpunkt abstellte.[134]

Deshalb verschieben sich die Auskunfts-, Beratungs- und Anzeigepflichten nach § 17 KSchG und die Entlassungssperre nach § 18 KSchG.[135]

[128] Gotthard/Beck, NZA 2002, 876, 879.
[129] BT-Drucks 14/4987, 19.
[130] BAG 22.9.2016 – 2 AZR 276/16, BAGE 157, 1 = NZA 2017, 175, 178; Worzalla, NZA 2002, 353, 356.
[132] EuGH 27.1.2005 – Rs. C-188/03 (Junk), NZA 2005, 213.
[135] Siehe dazu Nicolai, NZA 2005, 206; Appel, DB 2005, 1002; Bauer/Krieger/Powietzka, DB 2005, 445 und DB 2005, 1570; vgl. auch BAG 24.2.2005 – 2 AZR 207/04, DB 2005, 1576.

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