Rz. 108

§ 623 BGB unterwirft auch den Auflösungsvertrag (Aufhebungsvertrag), also die einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die Zukunft, dem konstitutiven Schriftformerfordernis. Wird ein solcher Vertrag aufschiebend bedingt geschlossen, berührt dies das Schriftformerfordernis nicht.[77] Ein bloß mündlich oder konkludent durch unwirksame Kündigung geschlossener Auflösungsvertrag zeigt wegen Formunwirksamkeit keine Rechtswirkungen, das Arbeitsverhältnis besteht fort.[78] § 623 BGB gilt nicht für die Aufhebung oder Änderung einzelner Arbeitsbedingungen.[79]

 

Rz. 109

 

Beispiele

In dem vom BAG[80] entschiedenen Fall hatte die in einem Baustoffhandel angestellte Klägerin am Morgen des ersten Arbeitstages nach Rückkehr aus dem Urlaub mit der Geschäftsführerin der Beklagten eine von wechselseitigen Vorwürfen gekennzeichnete Auseinandersetzung, nach deren Ende die Klägerin den Betrieb verließ. Die Beklagte hat behauptet, die Klägerin habe, obwohl sie sich über die Folgen vollkommen im Klaren gewesen sei, in vollem Ernst mündlich gekündigt oder es sei doch – ebenfalls mündlich – ein Auflösungsvertrag geschlossen worden. Die Klägerin könne sich angesichts der Eindeutigkeit und Ernsthaftigkeit ihrer Erklärungen nach Treu und Glauben nicht auf die fehlende Schriftform berufen. Dem ist das BAG, wie schon die Vorinstanzen, nicht gefolgt. Nach § 623 BGB bedarf die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Auflösungsvertrag oder durch Kündigung der Schriftform. Ein mündlich geschlossener Auflösungsvertrag ist danach ebenso unwirksam wie eine mündlich erklärte Kündigung. Es verstößt in aller Regel nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), wenn sich derjenige, der in einem kontrovers geführten Gespräch eine Kündigung ausgesprochen oder sich mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses einverstanden erklärt hat, nachträglich darauf beruft, die Schriftform sei nicht eingehalten. Der gesetzliche Formzwang soll die Parteien des Arbeitsvertrages vor Übereilung bei Beendigungserklärungen bewahren (Warnfunktion) und dient außerdem der Rechtssicherheit (Klarstellungs- und Beweisfunktion). ­Davon kann deshalb nur in seltenen Ausnahmefällen abgewichen werden.
Wird ein Arbeitnehmer zum Organ seines Arbeitgebers, einer juristischen Person, berufen, bedeutet dies im Zweifel die Aufhebung seines Arbeitsverhältnisses.[81] Diese Vereinbarung bedarf gem. § 623 BGB der Schriftform, die allerdings gewahrt ist, wenn der neue Anstellungsvertrag schriftlich geschlossen wird.
Zur Wahrung des Schriftformerfordernisses bedarf es beim Aufhebungsvertrag einer einheitlichen Urkunde, auf der der gesamte Vertragsinhalt von beiden Parteien unterzeichnet ist, § 126 Abs. 2 S. 1 BGB.[82] Alle den Vertragsinhalt bestimmenden Abreden werden vom Schriftformerfordernis erfasst. Hat eine formlos getroffene Nebenabrede wesentliche Bedeutung für den Aufhebungsvertrag, so kann gem. § 139 BGB nicht nur diese Nebenabrede, sondern der Aufhebungsvertrag als Ganzes nichtig sein. § 623 BGB gilt auch für spätere Änderungen oder Ergänzungen des Aufhebungsvertrages, nicht aber für seine einvernehmliche Aufhebung selbst.[83]
Bei gerichtlichen Auflösungsvergleichen folgt die Erfüllung des Schriftformerfordernisses aus §§ 623, 126 Abs. 1, Abs. 4, 127a BGB. Dieses dürfte auch dann erfüllt sein, wenn eine vergleichsweise Auflösungsvereinbarung nach § 278 Abs. 6 ZPO geschlossen wird.[84]
Eine Klagefrist für die gerichtliche Geltendmachung der Formunwirksamkeit ist nicht einzuhalten. Es kann allenfalls zur Verwirkung des Klagerechts nach den Grundsätzen von Treu und Glauben kommen, § 242 BGB (siehe oben Rdn 97 ff.).
Praxisrelevant ist auch die Rechtsprechung des BAG[85] zur Ausübung einer sogenannten "Sprinterklausel". Nicht selten wird dem Arbeitnehmer in einem Auflösungsvertrag das Recht zum vorzeitigen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis eingeräumt. Die Ausübung dieses vertraglichen Rechts zur vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgt durch Abgabe einer Kündigungserklärung und unterliegt deshalb auch dem Formzwang des § 623 BGB. Erklärt der Arbeitnehmer nun seine vorzeitige Beendigung per Telefax, genügt dies den Anforderungen des § 126 BGB nicht.
[77] ErfK/Müller-Glöge, § 623 BGB Rn 19.
[78] ErfK/Müller-Glöge, § 623 BGB Rn 21; Preis/Gotthardt, NZA 2000, 351.
[79] HWK/Bittner/Tiedemann, § 623 BGB Rn 18.
[81] Niebler/Schmiedl, NZA-RR 2001, 281, 284.
[83] ErfK/Müller-Glöge, § 623 BGB Rn 20.
[84] Dahlem/Wiesner, NZA 2004, 530.
[85] BAG 17.12.2015 – 6 AZR 709/14, AP BGB § 623 Nr. 10.

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