Rz. 30

Die Textform kann ihrem Konzept entsprechend durch alle Formen der elektronischen Übermittlung, durch Telegramm, Telefax, Computerfax, E-Mail, html-Dateien ("Maus"-Klick im Web; Dateien, die per Link im Internet abgerufen werden können) erfüllt werden.[12] Ferner kann eine Übermittlung im Einzelfall auch durch SMS, Messaging-Dienste (zB WhatsApp) oder soziale Netzwerke (z.B. Facebook oder LinkedIn) erfolgen.[13] Auf den formgerechten Zugang finden die Grundsätze des § 130 BGB Anwendung.[14] Das bedeutet, dass die jeweilige Erklärung solchermaßen und zu derjenigen Zeit in den Herrschaftsbereich z.B. des E-Mail-Empfängers geraten muss, dass dieser nach den gewöhnlichen Umständen von ihrem Inhalt Kenntnis nehmen kann. Bei privater Internetnutzung geht man davon aus, dass die Erklärung per E-Mail nur dann zulässig ist, wenn der Empfänger gegenüber dem Absender seine Bereitschaft zum entsprechenden Nachrichtenempfang deutlich gemacht hat;[15] für das Arbeitsleben folgt daraus, dass dienstliche E-Mail-Anschlüsse stets genutzt werden können und private E-Mail-Anschlüsse dann, wenn der Arbeitnehmer sie dem Arbeitgeber mitgeteilt hat.

Bei der Prüfung des Erklärungszugangs sind im Einzelfall die technischen Besonderheiten des jeweiligen Mediums zu beachten. Die genannten Voraussetzungen sind beispielsweise bei E-Mails dann erfüllt, wenn diese beim Empfänger in dessen eigener Datenverarbeitungsanlage oder im Empfangsbriefkasten seines Providers abrufbar gespeichert werden. Erfolgt der Eingang während einer Zeit, in welcher der Empfänger gewöhnlich keine Kenntnis von seinen E-Mails nimmt (dies wird bei E-Mail-Empfang am Arbeitsplatz regelmäßig an Sonnabenden, Sonntagen oder Feiertagen der Fall sein), erfolgt der Zugang am nächsten Tag.[16]

 

Rz. 31

Dem entsprechend ist auch der Widerruf der in Textform übermittelten Willenserklärung gem. § 130 Abs. 1 S. 2 BGB denkbar; dieser bedarf nicht der Textform nach § 126b BGB. Allerdings wird hier aufgrund der meist hohen Übertragungsgeschwindigkeit nicht sichergestellt sein, dass der Widerruf rechtzeitig erfolgt, also gleichzeitig oder noch vor der widerrufenen Erklärung beim Empfänger eingeht. Die Situation des rechtzeitigen Widerrufs kommt hier aber dann in Betracht, wenn die E-Mail zu einer Zeit versandt wurde, in welcher der Empfänger gewöhnlich keine Kenntnis von ihr nimmt. Wenn nun bis zu diesem Zeitpunkt eine Widerrufs-E-Mail erfolgt, ist der Widerruf rechtzeitig.

[12] Hähnchen, NJW 2001, 2831, 2833.
[13] Poguntke/von Villiez, NZA 2019, 1097, 1098; BeckOK BGB/Wendtland, 57. Ed. 1.2.2021, § 126b BGB Rn 8; BeckOGK/Primaczenko/Frohn, § 126b BGB Rn 16.1; Jauernig/Mansel, § 126b BGB Rn 2
[14] Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks 14/4987, 11.
[15] Hk-BGB/Dörner, § 130 BGB Rn 4.
[16] Palandt/Ellenberger, § 130 BGB Rn 7 a.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge