Rz. 3

Im deutschen Recht fällt es in der Regel nicht schwer zwischen einer vermögensrechtlichen Angelegenheit im Rahmen einer Scheidung oder aber einer Unterhaltsproblematik zu unterscheiden. Ist der beratende Anwalt jedoch mit der Anwendung ausländischen Rechtes konfrontiert, kann es zu Abgrenzungsschwierigkeiten kommen.

Um entscheiden zu können, ob es sich um eine unterhaltsrechtliche oder güterrechtliche Problematik handelt, ist nach dem Zweck der Leistung zu fragen. Der Begriff der Unterhaltspflicht ist weit[12] und autonom[13] auszulegen. Ergibt sich aus dem Zweck einer Leistung die Sicherung des Lebensstandards eines Ehegatten oder werden bei der Berechnung der Leistung Mittel und Bedürfnisse beider Partner berücksichtigt, so hat die Zuordnung dem Unterhaltsrecht zu erfolgen. Eine Orientierung kann auch anhand der Formblätter im Anhang zu EuUntVO[14] vorgenommen werden. Entscheidend wird sein, dass der Begünstigte mit der gezahlten Leistung seinen Lebensunterhalt bestreiten soll und kann, eine periodische Zahlung ist nicht zwingend notwendig. So kann die Leistung eines Kapitalbetrages Unterhaltscharakter haben, wenn damit das Einkommensniveau des Begünstigten gesichert werden soll. Auch die Übertragung von Eigentum an bestimmten Gegenständen zwischen den früheren Ehepartnern wird unter dem Begriff des Unterhalts gefasst, soweit es dabei um die Bildung von Kapital geht, welches den Unterhalt für einen von beiden sichern soll.[15]

 

Rz. 4

Im Französischen Code Civil gibt es gem. Art. 270 die "prestations compensatoires", eine Ausgleichsleistung nach der Scheidung. Diese Zahlung wird als pauschale Abgeltung betrachtet und dem Unterhaltsrecht zugeordnet, da sich diese finanzielle Verpflichtung nach den beiderseitigen Bedürfnissen und Mitteln der früheren Ehegatten bestimmt.[16] Davon zu unterscheiden ist die Aufteilung der Güter der Eheleute, welches in das Güterrecht fällt. Sollte eine Doppelfunktion einer Leistung oder Aufteilung erfolgen, sind der güterrechtliche und der unterhaltsrechtliche Teil zu trennen.[17]

 

Rz. 5

Im englischen Recht gibt es den Anspruch auf die Zahlung einer wiederkehrenden Leistung (periodical payments order) und auf Anordnung zur Sicherung der wiederkehrenden Leistung (secured provision order). Diese Anträge sind dem Unterhaltsrecht zuzuordnen, wenn damit die finanzielle Versorgung des früheren Ehepartners abgesichert werden soll. Auch der Antrag auf Verpflichtung zur Zahlung einer Pauschalleistung (lump sum) ist als Unterhalt einzuordnen, wenn die genannte finanzielle Versorgung bezweckt wird.[18] Nach dem MCA[19] werden nicht klare Abgrenzungen vorgenommen, vielmehr hat das Gericht auf Antrag die Scheidungsfolgesachen nach billigem Ermessen unter Anwendung der Regelungsbefugnisse des MCA zu regeln. Eine systematische Unterscheidung nach Unterhalt, Versorgungsausgleich oder Vermögen erfolgt nicht. Der EuGH hatte sich im Zusammenhang mit einer Entscheidung über die Anwendung und Durchführung einer Vollstreckung zu dieser Problematik der Zuordnung zu äußern. Er vertrat dabei die Auffassung, dass für den Fall der Möglichkeit der Zuordnung des Antrages oder der Entscheidung in den Bereich der Anordnung der finanziellen Versorgung (Financial Provision Order) oder der Aufteilung der Vermögensgüter (Proper Adjustment Order) auch die Angelegenheit im ersten Fall unterhaltsrechtlich und im zweiten Fall güterrechtlich einzuordnen ist.[20]

 

Rz. 6

Ist jedoch die Zahlung eines Pauschalbetrages erfolgt, so kann dies doppelfunktional sein. Hier soll die Zuordnung nach der hauptsächlichen Funktion erfolgen, da eine Trennung nicht möglich ist. Überwiegt die unterhaltsrechtliche Funktion, greift die EuUnthVO[21] für die gesamte Leistung. Begründet wird dies mit einer weiten Auslegung des Begriffes "Unterhalt" und dem Fehlen einer speziellen EU-Güterrechtsverordnung.[22] Das Abgrenzungsproblem und die Zuordnung werden jedoch bleiben, da häufig zwischen den Eheleuten eben nicht klar definiert wird, aus welchen Gründen eine Zahlung oder Übertragung eines Gegenstandes erfolgt ist.

[12] BGH FamRZ 2008, 40; Andrae, Intern. Familienrecht, § 8 Rn. 6.
[13] EuGH Rs. 120/79 (De Cavel), Slg 1980, 731 Rn 9; Andrae, Intern. Familienrecht, § 8 Rn. 6.
[14] Verordnung (EG) Nr. 4/2009 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen v. 18.12.2008 (ABl (EU) v. 10.1.2009 L 7 S. 1, geändert durch Art. 1 ÄndVO (EU) 1142/2011 v. 10.11.2011, ABl (EU) L 293 v. 11.11.2011

S. 24.

[15] Andrae, Intern. Familienrecht, § 3 Rn 8.
[16] EuGH Rs. 120/79 (De Cavel), Slg 1980, 731, 739 Rn 6 = IPRax 1981, 19; OLG Karlsruhe FamRZ 2002, 839; Andrae, Intern. Familienrecht, § 3 Rn. 8.
[17] BGH FamRZ 2009; 1659 Rn 16 ff.
[18] BGH FamRZ 2009, 1659 Rn 11 ff = NJW-RR 2010, 1; OLG Karlsruhe FamRZ 2002, 839.
[19] Matrimonial Causes Act 1973 (Gesetz des Parlaments des Vereinigten Königreiches für Scheidungs- und Eherecht) unterteilt in Teil I Ehescheidung, Nichtigkeit...

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