Rz. 18

Eine Definition der öffentlichen Urkunde findet sich in § 415 ZPO. Im Rahmen des Erbscheinsverfahrens verstehen sich darunter in der Regel Personenstandsurkunden nach dem Personenstandsgesetz (PStG). Eine einmal wirksam erteilte Personenstandsurkunde verliert ihre Beweiskraft nicht (vgl. § 54 Abs. 2 PStG). Insbesondere Urkunden aus der ehemaligen DDR gelten weiter; sie bedürfen in der Regel keines Echtheitsbeweises.[27]

 

Rz. 19

Ausländische öffentliche Urkunden stehen inländischen öffentlichen Urkunden gleich, wenn sie die Anforderungen des § 415 ZPO erfüllen.[28] Diesen Urkunden kommt dann die gleiche Beweiskraft zu, wie deutschen öffentlichen Urkunden.[29] Es ist zu beachten, dass § 352 Abs. 3 FamFG nur die Vorlage der öffentlichen Urkunde, aber nicht schematisch einen Echtheitsnachweis fordert. Als Echtheitsbeweis kommt eine Legalisation nach § 438 Abs. 2 ZPO in Betracht, sofern keine vorrangigen Staatsverträge bestehen. Zuständig dafür ist der deutsche Konsularbeamte, in dessen Bezirk die ausländische Urkunde errichtet wurde (vgl. § 13 KonsularG).

 

Rz. 20

Daneben kommt als Echtheitsnachweis noch die Apostille, d.h. die Bestätigung der Echtheit der Unterschrift, des Stempels oder des Siegels durch die Behörde des Herkunftslandes in Betracht.[30] Auch ohne eine Legalisation oder Apostille hat das Nachlassgericht in jedem Einzelfall nach freiem Ermessen zu prüfen, ob eine Echtheit der Urkunde angenommen werden kann, gegebenenfalls als anderes Beweismittel (im Sinne des § 352 Abs. 3 S. 2 FamFG); überspitzte Anforderungen dürfen hierbei allerdings nicht gestellt werden.[31]

Da dem Grunde nach jede ausländische und öffentliche Urkunde zunächst eine für das Erbscheinsverfahren ausreichende Urkunde ist, muss das Gericht demnach für jede vorgelegte Urkunde genau begründen, warum es im Einzelfall Zweifel an der Echtheit der Urkunde hat und die generelle Beweiskraft der öffentlichen Urkunde erschüttert sein soll. Das generelle Fordern von Apostillen bei ausländischen öffentlichen Urkunden wäre damit von vornherein ein Verstoß gegen die Beweiswürdigungspflicht und ein falsches Ermessensausüben des Gerichts. Eine Ermessensentscheidung ist immer eine Einzelfallentscheidung und muss immer dahingehend begründet sein, dass die Ausübung des Ermessens und Abwägung der einzelnen Gesichtspunkte durch das Gericht auch erfolgt ist. Grundsätzlich die Echtheit ausländischer Urkunden anzuzweifeln wäre ohnehin eindeutig ermessensfehlerhaft.

 

Rz. 21

Innerhalb der Europäischen Gemeinschaft hat eine in einem Mitgliedstaat errichtete öffentliche Urkunde die gleiche formelle Beweiskraft wie im Ursprungsmitgliedstaat oder die damit am ehesten vergleichbare Wirkung, sofern dies der öffentlichen Ordnung (ordre public) des betreffenden Mitgliedstaates nicht offensichtlich widersprechen würde.[32] Zu berücksichtigen gilt auch, dass nach der Rechtsprechung des EuGH[33] die Behörden jedes Mitgliedsstaates ohnehin infolge des Gemeinschaftsrechts verpflichtet sind, von den zuständigen Behörden anderer Mitgliedsstaaten ausgestellte Urkunden über den Personenstand zu beachten, sofern die Richtigkeit dieser Dokumente nicht durch konkrete und einzelfallbezogene Anhaltspunkte in Frage gestellt ist. Damit besteht für öffentliche Urkunden von europäischen Behörden und Stellen regelmäßig kein Erfordernis, einen gesonderten Echtheitsnachweis zu beschaffen.

 

Rz. 22

Die Verwendung einer in einer fremden Sprache abgefassten Urkunde ist auch ohne Übersetzung grundsätzlich zulässig. Das Nachlassgericht kann jedoch die Vorlage einer deutschen Übersetzung verlangen.[34] Dies, wenn es der entsprechenden Sprache nicht selbst kundig ist; wobei eine hierbei durch einen nach Landesrecht ermächtigten oder bestellten Übersetzer erfolgte Beglaubigung der Übersetzung keiner notariellen Beglaubigung der Unterschrift des Urkundenübersetzers bedarf, sofern sich nicht konkrete und anders nicht aufklärbare Anhaltspunkte für eine Fälschung der Unterschrift ergeben.[35]

 

Rz. 23

Die Unrichtigkeit der in einer Abstammungsurkunde bezeugten ehelichen Abstammung kann im Erbscheinsverfahren aufgrund eigener Ermittlungen und Beweiserhebungen des Nachlassgerichts, unter Beachtung der Beweisregeln der §§ 415, 418 ZPO i.V.m. §§ 60 Abs. 1, 66 PStG (a.F.), festgestellt werden.[36]

 

Rz. 24

Da § 352 Abs. 1 FamFG einen urkundlichen Nachweis nur für die Personen fordert, die einmal als Erbe in Betracht gekommen sind, dann jedoch wegfielen und sich dieser urkundliche Nachweis nur auf den Wegfall der Person bezieht, ist streng genommen das Vorhandensein oder die Abstammung dieser Person nicht urkundlich zu belegen, sondern lediglich der Wegfall. Dies natürlich nur dann, sofern in dem dort vorhandenen Stamm keine Abkömmlinge vorhanden sind, die wiederum selbst ein eigenes Erbrecht über das Vorhandensein dieser weggefallenen Person geltend machen möchten. Für einen kinderlosen, vorverstorbenen Erblasserbruder ergibt sich daraus, dass lediglich dessen Tod, nicht jedoch dessen Abstammung im Erbscheinsve...

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