Rz. 3

Zugunsten des Rechtsverkehrs wird weiter eine Richtigkeitsfiktion aufgestellt, § 2366 BGB: Erwirbt jemand einen Erbschaftsgegenstand, so gilt zu seinen Gunsten der Inhalt des Erbscheins als richtig, soweit die Vermutung des § 2365 BGB reicht. Darüber hinaus genießen auch Zahlungen an den Erben oder sonstige Verfügungsgeschäfte, wie z.B. Aufrechnung, Bewilligung einer Vormerkung etc., den Verkehrsschutz des § 2367 BGB. Die Schutzwirkung gilt auch dann, wenn der Dritte keine Kenntnis von der Existenz des Erbscheins hatte.[7] Dem Dritten braucht der Erbschein gar nicht vorgelegt zu werden.[8] So wird z.B. eine Bank durch Zahlung an den "Erbscheinsbesitzer" auch dann frei, wenn dieser den Erbschein gar nicht vorgelegt hat.

 

Beachte

AGB-Banken Nr. 5 Verfügungsberechtigung nach dem Tod des Kunden

Nach dem Tod des Kunden kann die Bank zur Klärung der Verfügungsberechtigung die Vorlegung eines Erbscheins, eines Testamentsvollstreckerzeugnisses oder weiterer hierfür notwendiger Unterlagen verlangen; fremdsprachige Urkunden sind auf Verlangen der Bank in deutscher Übersetzung vorzulegen. Die Bank kann auf die Vorlage eines Erbscheins oder eines Testamentsvollstreckerzeugnisses verzichten, wenn ihr eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Abschrift der letztwilligen Verfügung (Testament, Erbvertrag) nebst zugehöriger Eröffnungsniederschrift vorgelegt wird. Die Bank darf denjenigen, der darin als Erbe oder als Testamentsvollstrecker bezeichnet ist, als Berechtigten ansehen, ihn verfügen lassen und insbesondere mit befreiender Wirkung an ihn leisten. Dies gilt nicht, wenn der Bank bekannt war, dass der dort Genannte (zum Beispiel nach Anfechtung oder wegen Nichtigkeit des Testaments) nicht verfügungsberechtigt war oder wenn ihr dies infolge Fahrlässigkeit nicht bekannt geworden ist.

OLG Hamm, Urt. v. 1.10.2012 – I-31 U 55/12, BeckRS 2012, 22064:

Zitat

Die AGB-Klauseln einer Sparkasse, wonach das Geldinstitut nach dem Tode des Kunden zur Klärung der rechtsgeschäftlichen Berechtigung die Vorlage eines Erbscheins, eines Testamentsvollstreckerzeugnisses oder ähnlicher gerichtlicher Zeugnisse verlangen und auf die Vorlage dieser Urkunden verzichten könne, wenn der Kunde eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Abschrift seines Testaments oder Erbvertrags sowie die Niederschrift über die zugehörige Eröffnungsverhandlung vorlege, sind unwirksam.

Gleichwohl steht es außer Frage, dass die Beklagte jedenfalls bei Vorliegen konkreter Zweifel an dem behaupteten Erbrecht Leistungen von der Vorlage eines Erbscheins bzw. Testamentsvollstreckerzeugnisses abhängig machen kann.

BGH, Beschl. v. 8.10.2013 – XI ZR 401/12, WM 2013, 2166:

Zitat

Die dem Muster von Nr. 5 Abs. 1 AGB-Sparkassen nachgebildete Klausel einer Sparkasse

"Nach dem Tode des Kunden kann die Sparkasse zur Klärung der rechtsgeschäftlichen Berechtigung die Vorlegung eines Erbscheins, eines Testamentsvollstreckerzeugnisses oder ähnlicher gerichtlicher Zeugnisse verlangen; fremdsprachige Urkunden sind auf Verlangen der Sparkasse mit deutscher Übersetzung vorzulegen. Die Sparkasse kann auf die Vorlegung eines Erbscheins oder eines Testamentsvollstreckerzeugnisses verzichten, wenn ihr eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Abschrift vom Testament oder Erbvertrag des Kunden sowie der Niederschrift über die zugehörige Eröffnungsverhandlung vorgelegt wird."

ist im Verkehr mit Verbrauchern nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.

BGH, Urt. v. 5.4.2016 – XI ZR 440/15, ZEV 2016, 320: Voraussetzungen für den Nachweis des Erbrechts durch Vorlage des eröffneten eigenhändigen Testaments

Zitat

Der Erbe kann sein Erbrecht auch durch Vorlage eines eröffneten eigenhändigen Testaments belegen, wenn dieses die Erbfolge mit der im Rechtsverkehr erforderlichen Eindeutigkeit nachweist (Fortführung des Senatsurt. v. 7.6.2005 – XI ZR 311/04, ZEV 2005, 388 m. Anm. Werkmüller).

LG Münster, Beschl. v. 15.5.2017 – 5 OH 42/16, ZEV 2017, 522: Unrichtige Sachbehandlung des Notars bei Beantragung eines nicht erforderlichen Erbscheins

Zitat

Ein Notar darf Kosten nicht erheben, die bei richtiger Sachbehandlung nicht entstanden wären. Nicht richtig behandelt ist eine Sache dann, wenn der Notar nicht so verfahren ist, wie er – sei es in rechtlicher oder geschäftlicher Hinsicht – hätte verfahren sollen. Eine unrichtige Sachbehandlung kann auch im Unterlassen einer nach der Sachlage gebotenen Aufklärung und Rechtsbelehrung durch den Notar liegen.

Weiß der Notar, dass der Nachlass lediglich aus Bankeinlagen besteht und dass insbesondere kein Grundbesitz zum Nachlass gehört, darf er einem Erben nicht ohne weiteres zur Beantragung eines – nicht erforderlichen – Erbscheins raten. Dies gilt insbesondere dann, wenn dem Notar bekannt ist, dass der Erbe schon bisher auf der Grundlage einer Vollmacht tätig wurde

 

Rz. 4

Bei mehreren einander widersprechenden Erbscheinen entfällt für jeden Erbschein, soweit ein Widerspruch besteht, nicht nur die Vermutung für seine Richtigkeit, sondern auch die Wirkung des öffentlichen Glaubens.[9]

[...

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