Rz. 350

LG Stuttgart, Beschl. v. 20.4.1999:[418]

Zitat

1. Die Schlusserbeneinsetzung juristischer Personen in einem gemeinschaftlichen Testament kann grundsätzlich eine wechselbezügliche Verfügung sein.

2. Bei einem wechselbezüglichen Testament steht das Anfechtungsrecht entgegen §§ 2079, 2080 Abs. 3 BGB einem Dritten nur dann zu, wenn das Anfechtungsrecht des Erblassers zum Zeitpunkt des Erbfalls nicht erloschen war.

Sachverhalt:

 
19.7.1995 Kinderloses Ehepaar errichtet ein gemeinschaftliches Testament:
  Gegenseitige Alleinerbeinsetzung,
  der Zuletztsterbende setzt als Erben ein:
    1. Freimaurerloge,
    2. Katholische Kirche Diözese
    3. Evangelische Landeskirche
Okt. 1995 Tod des erststerbenden Ehepartners
25.7.1996 Der überlebende Ehepartner adoptiert K als Kind.
11.7.1998 Tod des überlebenden Ehepartners
29.7.1998 K ficht das Testament vom 19.7.1995 gem. § 2079 BGB an und beantragt für sich die Erteilung eines Erbscheins als Alleinerbe.
12.11.1998 Nachlassgericht erlässt Vorbescheid mit der Ankündigung, es beabsichtige, einen Erbschein für die Freimaurerloge, die Diözese und die Evangelische Landeskirche zu je einem Drittel zu erteilen.
  Dagegen wendet sich K.
 

Rz. 351

Aus den Gründen:

K steht kein gesetzliches Erbrecht als Abkömmling des Erblassers zu (§§ 1924 Abs. 1, 1754 Abs. 2, 1767 Abs. 2 BGB). Das gemeinschaftliche Testament und die darin enthaltene Erbeinsetzung der drei genannten Institutionen durch den Überlebenden konnte von K nicht erfolgreich angefochten werden. Seine Anfechtung vom 29.7.1998 als übergangener Pflichtteilsberechtigter gem. §§ 2079, 2080 Abs. 3 BGB greift wegen Fristablaufs ins Leere. Auf ein wechselbezügliches Testament sind die für den Erbvertrag geltenden Anfechtungsvorschriften entsprechend anzuwenden (RGZ 132, 1, 4).

Um wechselseitige Verfügungen i.S.v. § 2270 Abs. 1 BGB handelt es sich bei dem Testament vom 19.7.1995. Bei der Frage der Wechselbezüglichkeit kommt es auf den übereinstimmenden Willen beider Ehegatten zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung an. Dieser ist im Wege der Auslegung zu ermitteln. Im vorliegenden Fall kommt dabei die Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB nicht zum Tragen, da es sich bei den bedachten Institutionen nicht um Personen handelt, die mit einem der Ehegatten verwandt sind oder ihnen besonders nahe stehen. Im Falle der Erbeinsetzung von Institutionen ist im Allgemeinen eher davon auszugehen, dass keine Wechselbezüglichkeit vorliegen soll, sondern der Wille der Ehegatten dahin ging, den allgemeinen Grundsatz der Testierfreiheit dem Überlebenden zu erhalten (BayObLG FamRZ 1986, 604, 606).

Im vorliegenden Fall ergibt sich jedoch aus den Gesamtumständen etwas anderes. Das Unterbleiben einer Freistellung im Testament von 1995 zeigt den Wunsch der Ehegatten, sich gegenseitig endgültig zu binden. Bei einem wechselbezüglichen Testament steht das Anfechtungsrecht, entgegen §§ 2079, 2080 Abs. 3 BGB einem Dritten nur dann zu, wenn das ausnahmsweise gegebene Anfechtungsrecht des Erblassers (§ 2281 BGB) zum Zeitpunkt des Erbfalls nicht erloschen war (§ 2285 BGB).

Zum Zeitpunkt des Ablebens des E am 11.7.1998 war dessen Anfechtungsrecht gem. §§ 2281, 2079 BGB wegen Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten nach Fristablauf erloschen. Die Anfechtung eines gemeinschaftlichen wechselbezüglichen Testaments ist nur binnen Jahresfrist möglich, §§ 2082 Abs. 1, 2283 Abs. 1 BGB, beginnend mit der Kenntnis vom Anfechtungsgrund, §§ 2082 Abs. 3, 2283 Abs. 2 BGB. Anfechtungsgrund ist die Adoption des K durch E. Kenntnis von diesem Umstand musste E spätestens mit Wirksamwerden der Adoption am 5.8.1996 haben. Bei Eintritt des Erbfalls am 11.7.1998 waren nahezu zwei Jahre verstrichen.

[418] LG Stuttgart ZEV 1999, 441.

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