(1) Wesentliche Änderungen im Überblick

 

Rz. 197

Die seit 1.8.2002 geltenden Vorschriften des Beurkundungsrechts bei Verfügungen von Todes wegen beinhalten folgende wichtige Neuerungen:

Das Mündlichkeitserfordernis gilt nicht mehr zwingend, die §§ 2232, 2233 BGB wurden neu gefasst; sie gelten nicht nur für das Testamentsrecht, sondern kraft der Verweisung in § 2276 BGB auch für das Erbvertragsrecht.
Die Reform hat neue Begriffe eingeführt: Statt der bisherigen Überschrift des § 22 BeurkG "Taube, Stumme, Blinde" lautet diese nun in Übereinstimmung mit der Terminologie des Behindertengleichstellungsgesetzes "Hörbehinderte, sprachbehinderte und sehbehinderte Beteiligte".
Die bisherige "Vertrauensperson", wie sie in § 24 BeurkG a.F. definiert war, heißt nunmehr "nach Absatz 1 zugezogene Person" und hat eine andere Funktion erhalten. Der Begriff "Vertrauensperson" wird nunmehr mit anderem Bedeutungsinhalt in § 17 Abs. 2a BeurkG in der seit 1.8.2002 geltenden Fassung verwendet.
Neu ist der Gebärdensprachdolmetscher in § 22 BeurkG.

(2) Wegfall des Prinzips der Mündlichkeit

 

Rz. 198

Ein öffentliches (notariell beurkundetes) Testament konnte nach § 2232 BGB a.F. in zweierlei Weise errichtet werden:

durch mündliche Erklärung, § 2232 S. 1 Alt. 1 BGB,
durch Übergabe einer Schrift mit der Erklärung, diese enthalte den letzten Willen, § 2232 S. 1, 2 BGB.
 

Rz. 199

Das Mündlichkeitserfordernis bei der ersten Alternative (mündliche Erklärung des letzten Willens) ist durch die Streichung des Wortes "mündlich" weggefallen. Zulässig ist damit jetzt jede andere Art der Übermittlung einer Erklärung, insbesondere die schriftliche, aber auch die nonverbale ("Wimpernschlag").[246] Damit kommen für mehrfach behinderte Testatoren als Erklärungsformen in Betracht die "Deutsche Gebärdensprache", lautsprachbegleitende Gebärden, Handtastensprache (Lormen), taktil wahrnehmbare Gebärden sowie Zeichen und Wimpernschlag.[247] Allerdings muss der Notar eine Person zuziehen, die in der Lage ist, sich mit dem Testator in der bezeichneten Weise zu verständigen, weil er dazu in aller Regel nicht fähig sein wird (vgl. Rdn 201 ff.).

 

Rz. 200

Von entscheidender Bedeutung sind die Veränderungen der Beurkundungsform durch Übergabe einer Schrift. § 31 BeurkG und Absatz 3 von § 2233 BGB sind ersatzlos gestrichen. Die Übergabe einer Schrift ist damit nicht mehr erforderlich, weil auch die nonverbale – neben der mündlichen und schriftlichen – Erklärung eine vollwertige Erklärungsform geworden ist.

[246] v. Dickhuth-Harrach, FamRZ 2003, 493.
[247] Vgl. im Einzelnen v. Dickhuth-Harrach, FamRZ 2003, 493, 495, 496.

(3) Hinzuziehung einer Verständigungsperson

 

Rz. 201

Nach § 24 BeurkG soll der Notar in der Niederschrift feststellen, wenn der Testator hör- oder sprachbehindert und eine Verständigung mit ihm nicht möglich ist. Hat der Notar dies festgestellt, so muss er eine Person hinzuziehen, die sich mit dem Testator verständigen kann und mit deren Zuziehung dieser nach der Überzeugung auch einverstanden ist. Dieses und etwaige Zweifel an der Verständigungsmöglichkeit zwischen Testator und zugezogener Person soll der Notar in der Niederschrift vermerken. Die hinzugezogene Person soll die Niederschrift unterzeichnen.

 

Rz. 202

Auf Verlangen des sprach- oder hörbehinderten Testators soll der Notar nach § 22 BeurkG einen Gebärdensprachdolmetscher hinzuziehen. Warum das Gesetz in § 22 Abs. 2 BeurkG darauf verzichtet, auch den Gebärdendolmetscher die Niederschrift unterzeichnen zu lassen, ist nicht verständlich. Die Zeugen sollen unterschreiben.

Unverständlich ist auch, warum für den Gebärdendolmetscher nicht die gleichen Ausschließungsgründe wie für den allgemeinen Dolmetscher (§ 16 Abs. 3 BeurkG) und kein Mitwirkungsverbot wie für die Zeugen (§ 26 BeurkG) vorgesehen ist.

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