Rz. 85

Nach dem Tod eines Ehegatten bzw. Lebenspartners kann der andere seine eigenen Verfügungen nicht mehr widerrufen. Also: Der Überlebende ist an seine eigene Verfügung gebunden, § 2271 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 BGB, §10 Abs. 4 LPartG.

 

Rz. 86

Die mit dem Tod des Erststerbenden eingetretene Bindung des Überlebenden an seine eigene Verfügung von Todes wegen verbietet es auch, bspw. den unbeschränkt eingesetzten Schlusserben mit einer Beschwerung zu versehen.[113]

 

Beispiel

Die Eheleute M und F haben sich in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt. Der Überlebende hat die beiden gemeinschaftlichen Kinder T und S zu Erben je zur Hälfte eingesetzt. Nach dem Tod des M entsteht unter den Kindern T und S Streit. Der F scheint es deshalb zweckmäßig, auf ihren Tod Testamentsvollstreckung anzuordnen, damit ein Dritter – der Testamentsvollstrecker – die Nachlassauseinandersetzung unter den zerstrittenen Kindern vornehmen können soll. Sie errichtet ein formgültiges privatschriftliches Testament und setzt ihren Bruder B zum Testamentsvollstrecker ein. Nach ihrem Tod beruft sich S auf die Unwirksamkeit der Testamentsvollstreckungsanordnung.

Nach der Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB sind die gegenseitige Alleinerbeinsetzung einerseits und die Erbeinsetzung der Kinder andererseits zueinander wechselbezüglich. Mit dem Tod des M ist damit die Erbeinsetzung der Kinder durch F für diese bindend, d.h. unwiderruflich, geworden (§§ 2271 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 BGB). Im gemeinschaftlichen Testament waren die Kinder ohne jegliche Beschränkung und Beschwerung zu Erben eingesetzt. Das privatschriftliche einseitige Testament der F enthält in Form der Testamentsvollstreckungsanordnung einen teilweisen Widerruf dieser unbeschränkten Erbeinsetzung (§ 2258 BGB) und ist deshalb unwirksam. T und S werden ohne die Beschränkung durch die Testamentsvollstreckungsanordnung je zur Hälfte Erben der F.[114]

 

Rz. 87

Ob eine Verfügung ganz oder teilweise wechselbezüglich sein soll, unterliegt dem Willen der Erblasser. Immerhin geht es um die Testierfreiheit, die nicht nur über § 2302 BGB geschützt wird, sondern die auch nach Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG Verfassungsrang genießt.[115]

[113] LG Freiburg ZEV 2009, 531 = ErbR 2009, 199.
[114] KG OLGZ 77, 392.
[115] OLG München, Urt. v. 10.12.2008 – 20 U 2303/08, ErbR 2009, 259 = ZFE 2009, 280.

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