Rz. 473

Erforderlich ist ein Auflehnen gegen den wahren Willen des Erblassers.[519] Im Grundsatz wird das bewusste Sich-Widersetzen, ein bewusster Verstoß gegen Anordnungen des Erblassers verlangt, damit die Verwirkungsklausel ihre Rechtswirkung entfaltet.[520]

 

Rz. 474

Eine derartige Auflehnung gegen den wahren Willen des Erblassers mit der Verwirkungsfolge liegt u.a. in jeder prozessualen Geltendmachung der Unwirksamkeit nicht nur im Wege der Anfechtungsklage, auch im Wege einer Einrede im Prozess,[521] u.U. schon in einem Antrag auf Prozesskostenhilfe zur Vorbereitung einer Klage.[522] Auch ein außergerichtliches, ernsthaftes, nachdrückliches Verlangen kann schon Auflehnungscharakter haben.[523] Hier ist aber zumindest im Wege der Auslegung (der vom Pflichtteilsberechtigten abgegebenen Erklärung) genau darauf zu achten, ob es sich nicht nur um Unmutsäußerungen des Bedachten handelt.[524] Grundsätzlich bedarf es eines bewussten Verstoßes gegen eine Verwirkungsklausel, einer bewussten Missachtung des Erblasserwillens.[525]

 

Rz. 475

Bei einer allgemein formulierten Verwirkungsklausel (z.B. "Wer mein Testament anficht") löst die Geltendmachung des Pflichtteils durch den Bedachten die Verwirkungsklausel grundsätzlich noch nicht aus.[526] Auch Einwendungen gegen Anordnungen im Testament mit der Begründung, damit solle dem wahren Willen des Erblassers zum Zuge verholfen werden, verstoßen nicht gegen eine Verwirkungsklausel, wenn hierfür Anhaltspunkte von erheblichem Gewicht bestehen.[527] Insbesondere die erfolgreiche Geltendmachung gesetzlich gegebener Ansprüche, wie z.B. eines Auskunftsanspruchs über den Umfang des Nachlasses,[528] wird die Verwirkungsklausel nicht auslösen.[529] Ist der Angriff gegen ein Testament (z.B. Anfechtung, Geltendmachung der Testierunfähigkeit des Erblassers) aber erfolglos, so kann in dem Verhalten des Bedachten ein Verstoß gegen die Strafklausel liegen, wenn erkennbar Anhaltspunkte für die geltend gemachten Bedenken fehlten.[530]

[519] Erman/Schmidt, § 2074 BGB Rn 7; MüKo/Leipold, § 2074 BGB Rn 24.
[520] BayObLG 1962, 47 = NJW 1962, 1060; BayObLGZ 1990, 58; BayObLG NJW-RR 1996, 262; Staudinger/Otte, § 2074 BGB Rn 64; Grüneberg/Weidlich, § 2074 BGB Rn 8.
[521] RG Recht 16, Nr. 1549.
[522] Grüneberg/Weidlich, § 2074 BGB Rn 8; Erman/Schmidt, § 2074 BGB Rn 8; a.A. MüKo/Leipold, § 2074 BGB Rn 22.
[523] Erman/Schmidt, § 2074 BGB Rn 8.
[524] Kipp/Coing, § 80 I 3a; eingehend hierzu m.w.N. u.a. Rudolf/Bittler/Seiler-Schopp, § 2 Rn 162.
[525] BayObLG FamRZ 1996, 440 = NJW-RR 1996, 262.
[526] MüKo/Leipold, § 2074 BGB Rn 20; Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Litzenburger, § 2074 BGB Rn 5.
[527] OLG Dresden Rpfleger 1999, 276, 278 = NJW-RR 1999, 1165, 1167.
[528] BayObLG NJW-RR 1991, 394 = MDR 1991, 252.
[529] MüKo/Leipold, § 2074 BGB Rn 24; Grüneberg/Weidlich, § 2074 BGB Rn 9.

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