Rz. 143

In der Praxis bedeutsamer ist die Auseinandersetzung darüber, dass der Geschädigte mit dem Mietfahrzeug nur wenige Kilometer gefahren ist, sodass die Mietwagenkosten selbst im Vergleich zu den Kosten eines Taxis unverhältnismäßig hoch sind.

 

Rz. 144

Auch hier ist zunächst Ausgangspunkt der Grundsatz der Naturalrestitution, dass ein Geschädigter, der ein eigenes Fahrzeug unterhält, Anspruch darauf hat, ständig über ein fahrtüchtiges Fahrzeug zu verfügen. Dieser Anspruch findet jedoch dann seine Grenze, wenn durch die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs Kosten entstehen, die bei vernünftiger wirtschaftlicher Betrachtungsweise unsinnig hoch erscheinen.[156]

 

Rz. 145

Der Geschädigte muss seinen voraussichtlichen Fahrbedarf – ex ante – abschätzen und diesen Kostenaufwand eines Mietfahrzeugs den Kosten einer Taxibenutzung gegenüberstellen. Stattdessen kann er auch Nutzungsentschädigung nach Sanden/Danner/Küppersbusch verlangen.[157]

 

Rz. 146

Erweist sich die Schätzung aus unvorhersehbaren Gründen nach erfolgter Ersatzanmietung als unzutreffend, so kann darin kein Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht gesehen werden. In Betracht kommt allenfalls, dass der Verstoß der Schadenminderungspflicht darin liegt, den Mietwagen trotz nunmehr feststehender geringerer Kilometerleistung nicht zurückgegeben zu haben.

 

Beispiel

Der Geschädigte mietet ein Ersatzfahrzeug, insbesondere, um seinen Arbeitsplatz zu erreichen. Während der Mietzeit wird der Geschädigte plötzlich krank oder an einen Arbeitsplatz in unmittelbarer Nähe seiner Wohnung versetzt.

 

Rz. 147

In besonderen Ausnahmefällen kann der Geschädigte auch dann ein Mietfahrzeug benutzen, wenn ihm Taxifahrten nicht zuzumuten sind oder wenn er aus persönlichen, beruflichen oder anderen Gründen darauf angewiesen ist, dass ihm ständig ein fahrbereites Fahrzeug zur Verfügung steht.[158]

 

Rz. 148

Zu berücksichtigen sind die Umstände, die den Lebensbereich des Geschädigten prägen, insbesondere die Wohnverhältnisse. Gerade im ländlichen Bereich gehört die Verfügbarkeit eines Kfz zur Grundlage der individuellen Lebensgestaltung, also für Einkäufe, Fahrten zur Schule, zum Kindergarten usw.[159]

Diese Voraussetzungen liegen z.B. vor, wenn

der Geschädigte krank ist oder kranke Familienangehörige hat, sodass schnelle Arztbesuche erforderlich sind,
der Geschädigte sein Fahrzeug zu Geschäftsfahrten nutzt,
der Geschädigte als praktizierender Arzt Krankenbesuche durchführen muss,
der Geschädigte als Handelsvertreter Warenproben oder umfangreiche Geschäftsunterlagen mit sich führen muss,
das nächste Taxiunternehmen so weit entfernt ist, dass zu lange Anfahrzeiten und Wartezeiten in Kauf genommen werden müssen,
das Mietfahrzeug täglich für eine Vielzahl verhältnismäßig kurzer Fahrten zur Schule, zum Kindergarten und zum Einkaufen genutzt wird.[160]
[156] Hentschel/König/Dauer, § 12 StVG, Rn 33; BGH, NZV 1996, 357; OLG Hamm, 6 U 243/00, NZV 2002, 82 = DAR 2001, 458.
[157] BGH, VI ZR 290/11, DAR 2013, 194 = VersR 2013, 515 = r+s 2013, 407.
[158] Hentschel/König/Dauer, § 12 StVG, Rn 33.

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