Rz. 142

Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, hat die Widerklage in mehrfacher Hinsicht prozessuale Vorteile und ist darüber hinaus geeignet, die materielle Rechtsposition des Beklagten zu stärken, indem auch seine Forderung tituliert werden kann.

 

Rz. 143

Andererseits unterliegt die Widerklage, wie in Abschnitt B.II. (siehe Rdn 49 ff.) dargestellt, weiter gehenden prozessualen Anforderungen. Darüber hinaus führt sie gem. § 45 Abs. 1 GKG regelmäßig zu einer Erhöhung der anfallenden Gerichts- und Anwaltsgebühren. Insoweit kann sich die Aufrechnung im Prozess als einfachere und leichtere Möglichkeit darstellen, eine Gegenforderung geltend zu machen.

 

Rz. 144

Zur Erklärung der Aufrechnung ist weder erforderlich, dass ein rechtlicher Zusammenhang zwischen der Klageforderung und der Aufrechnungsforderung besteht, noch ist erforderlich, dass die Aufrechnungsforderung an dem mit der Klage begründeten Gerichtsstand streitig geltend gemacht werden könnte. Die Aufrechnung muss allein nach den materiell-rechtlichen Vorschriften der §§ 387 ff. BGB zulässig sein. Als solches muss sie aber auch nach den materiell-rechtlichen Vorschriften erklärt werden. Sodann müssen die die Aufrechnungslage begründenden Tatsachen ebenso wie der Umstand der Aufrechnungserklärung als Tatsachen in den Prozess eingeführt werden.

 

Rz. 145

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Aufrechnung ein Verteidigungsmittel i.S.d. § 296 ZPO darstellt, sodass sie den dortigen Präklusionsvorschriften unterliegt. Über die zur Aufrechnung gestellte Forderung wird auch dann rechtskräftig entschieden, wenn die Aufrechnung als verspätet zurückgewiesen wird.[97] Insoweit ist für den Anwalt hier besondere Vorsicht geboten, um Haftungsfälle zu vermeiden.

Einen Vorteil der Aufrechnung stellt es dar, dass sie die Verjährung der zur Aufrechnung gestellten Forderung nach § 204 Abs. 1 Nr. 5 BGB hemmt. Dabei sind allerdings zwei Aspekte zu beachten:

Die Verjährung der Aufrechnungsforderung wird nur bis zur Höhe der Klageforderung gehemmt,[98] Insoweit allerdings unabhängig davon, ob über die Aufrechnung auch tatsächlich entschieden wird.[99] Übersteigt also die zur Aufrechnung gestellte Forderung die Klageforderung, müssen für den übersteigenden Teil bei drohender Verjährung andere verjährungshemmende Maßnahmen ergriffen werden. Hier bietet sich die Erhebung der Widerklage an, sodass prozessual auch eine Kombination von Aufrechnung und Widerklage in Betracht kommt.
Die Hemmung der Verjährung endet nach § 204 Abs. 2 BGB sechs Monate nach dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens, der anderweitigen Erledigung des Verfahrens oder ab dem Zeitpunkt, ab dem das Verfahren nicht mehr betrieben wird. Insbesondere wenn die Aufrechnung nur hilfsweise erklärt wird und über diese nicht entschieden wurde[100] oder die Aufrechnung unzulässig ist,[101] muss der Bevollmächtigte diesen Termin vor Augen haben und in seine Fristenverwaltung einbinden.
[97] BGH NJW-RR 1991, 972.
[98] BGH NJW 1990, 2680; BGH MDR 2009, 793 = BGHR 2009, 741.
[100] BGHZ 80, 222 = NJW 1981, 1953.
[101] BGHZ 83, 260 = NJW 1982, 1516.

1. Die Erklärung der Aufrechnung im Prozess

 

Rz. 146

Der Beklagte ist grundsätzlich gehalten, die Aufrechnung bereits innerhalb der vom Gericht gesetzten Klageerwiderungsfrist zu erklären[102] und zugleich die zur Aufrechnung gestellte Forderung substantiiert darzulegen und die zur Begründung der Aufrechnungsforderung erheblichen Tatsachen unter Beweis zu stellen.

 

Rz. 147

 

Hinweis

Der Bundesgerichtshof hat mit seinem grundlegenden Urt. v. 30.5.1984[103] ausgeführt, dass die Aufrechnung ein Verteidigungsmittel im Sinne der ZPO sei, da mit ihr bezweckt wird, den vom Kläger geltend gemachten Klageanspruch zu Fall zu bringen. Die Aufrechnung sei daher wie ein sonstiges Verteidigungsvorbringen zusammen mit den ihrer Rechtfertigung dienenden Tatsachen in der Klageerwiderung geltend zu machen, wenn für sie eine Frist nach § 276 Abs. 1 ZPO gesetzt worden ist und die Darstellung der Aufrechnungserklärung und der Aufrechnungsforderung nach der Prozesslage zum Zweck einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozessführung erforderlich ist. Dem genügt es nach der Auffassung des Bundesgerichtshofes nicht, wenn die Klageerwiderung zwar die prozessuale Erklärung der Aufrechnung enthält, die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung aber nicht substantiiert darlegt.

 

Rz. 148

Die Aufrechnung kann der Form nach schriftsätzlich oder in der mündlichen Verhandlung erfolgen. Im Hinblick auf die Präklusionsvorschrift des § 296 ZPO wird allerdings grundsätzlich nur die schriftliche Aufrechnungserklärung[104] in der Klageerwiderung oder aber der Vortrag der außergerichtlich erklärten Aufrechnung in Betracht kommen.

 

Rz. 149

Beachtet werden muss dabei, dass die Aufrechnung sich als Prozesshandlung darstellt, sodass diese im Rahmen von § 78 ZPO von dem postulationsfähigen Prozessbevollmächtigten zu erklären sein wird.

 

Rz. 150

Die Zulässigkeit der Aufrechnung setzt weiter voraus, dass eine wirksame Aufrechnun...

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