Rz. 9

Der Gegenstandswert dieser Verfahren wird in § 23 Abs. 1 S. 1 RVG i.V.m. §§ 43, 5 Nr. 1 und 2 FamGKG geregelt. Der Bewertungszeitpunkt ist dem § 34 FamGKG zu entnehmen. Maßgebend sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der ersten Antragstellung im jeweiligen Rechtszug, für das Einkommen also die drei Monate vor Anhängigkeit des gerichtlichen Verfahrens.

 

Rz. 10

3.000,00 EUR sind der Mindestwert, 1 Mio. EUR der Höchstwert (§ 43 Abs. 1 S. 2 FamGKG). Alle Umstände des Einzelfalls, von denen beispielhaft Umfang und Bedeutung der Sache sowie Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Ehegatten im Gesetz genannt werden (§ 43 Abs. 1 S. 1 FamGKG), sind gleichrangig. Keiner dieser Umstände ist für sich allein ausschlaggebend. Es kommt vielmehr auf die Gesamtschau aller Umstände an.[4] Es hat sich aus Praktikabilitätsgründen folgendes Berechnungsschema eingebürgert.[5]

 

Rz. 11

 

Beispiel

Zwischen M und F ist das Scheidungsverfahren anhängig; sie haben zwei minderjährige Kinder; der Mann verdient im Quartal 5.000,00 EUR netto, die Frau 3.000,00 EUR. Das Vermögen besteht aus einem Haus im Wert von 375.000,00 EUR, das noch mit 75.000,00 EUR belastet ist.

 
3 Monatseinkommen der Eheleute netto zusammen 8.000,00 EUR
abzgl. Kinderfreibeträge (str.) für 2 minderjährige Kinder z.B. je 250,00 EUR × 3 Monate   – 1.500,00 EUR
    6.500,00 EUR
zzgl. Aktivvermögen 375.000,00 EUR  
abzgl. Schulden – 75.000,00 EUR  
  300.000,00 EUR  
abzgl. Freibeträge (z.B. 2 x 60.000,00 EUR für die Ehegatten, 2 x 30.000,00 EUR für die Kinder, str.) – 180.000,00 EUR  
  120.000,00 EUR.  
Aus dem Vermögenswert eine Quote, z.B. 5 % (str.)   6.000,00 EUR
    12.500,00 EUR
Hinzu eventuelle Zuschläge, z.B. 20 % für
Anwendung ausländischen Scheidungsrechts (str.) 2.500,00 EUR
    15.000,00 EUR
Abschläge (str.): keine    
Der Gegenstandswert dieser Ehescheidung beträgt 15.000,00 EUR

Zu den einzelnen wertbestimmenden Faktoren:

[4] Schneider/Herget/Thiel, Rn 7097.
[5] Jeder Anwalt sollte sich vergewissern, welche Berechnungsgrundsätze das eigene OLG anwendet.

I. Einkommen

 

Rz. 12

Die Bestimmung gilt für Selbstständige wie auch für abhängig Beschäftigte. Sie gilt für alle Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 EStG. Die in der Unterhaltsberechnung üblichen Abzüge von 5 % für Spesenaufwand und 10 % (oder 1/7) als Erwerbstätigenbonus werden hier nicht vorgenommen. Einmalvergütungen werden auf das Jahr umgelegt. Naturalleistungen wie etwa der Firmenwagen werden dazugerechnet.[6] Auch Zinserträge, Renten, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gehören hierher. Das Gleiche gilt für Lohnersatzleistungen wie Krankengeld und Arbeitslosengeld I.

 

Rz. 13

Heftig umstritten ist nach wie vor die Behandlung der Unterstützungsleistungen des Staates wie ALG II und andere Sozialleistungen.[7] Der Meinung, dass auch soziale Transferleistungen zu berücksichtigen sind, ist zuzustimmen.[8] Dieses Einkommen ist Einkommen wie jedes andere; soweit der Hilfeempfänger nicht in der Lage ist, Verfahrenskosten zu bezahlen, greift die Verfahrenskostenhilfe ein. Gleiches gilt für das staatliche Kindergeld, das nach einer verbreiteten Meinung nicht einbezogen werden soll.[9] Diese Meinung ist vor allem dann abzulehnen, wenn gleichzeitig Kinderabschläge gemacht werden (vgl. hierzu Rdn 14 f.). Ergänzend Elterngeld: Es ist streitig, ob Elterngeld Einkommen i.S.d. § 43 FamGKG ist.[10] Die Ansicht, dass Elterngeld Sozialleistung und generell kein Ausdruck eigener Leistungsfähigkeit sei, ist schon deshalb nicht richtig, weil der über dem Mindestbetrag von 300,00 EUR liegende Teil des Elterngeldes durch das vor der Geburt erzielte Nettoeinkommen bestimmt wird.[11] Der gleiche Streit herrscht für das Wohngeld.[12]

[6] Schneider/Herget/Thiel, Rn 7141; Kindermann, Rn 1001 m.w.N.
[7] Übersicht über die Rspr. zu den Transferleistungen: Schneider/Herget/Thiel, Rn 7144 ff.; HK-FamGKG/Türck-Brocker, § 43 Rn 23; Mayer/Kroiß/Ebert, Anh. I Rn 22 (Verfahrenswerte im Familienrecht); HB FA FamR/Keske, Kap. 17 Rn 26 ff.; OLG Düsseldorf FamRZ 2006, 807 (ALG II, Kindergeld und UVG sind nicht zu berücksichtigen). Beispiele aus der neueren Rspr.: OLG Köln AGS 2013, 588 (Transferleistungen nicht berücksichtigen); OLG Zweibrücken AGS 2011, 142 (Transferleistungen berücksichtigen); OLG Zweibrücken FamRZ 2011, 992 (SGB II berücksichtigen); OLG Brandenburg FamRZ 2011, 1423 (berücksichtigen); OLG Hamm FamRZ 2011, 1422 (nicht berücksichtigen); OLG Stuttgart FamRZ 2011, 1810 (nicht berücksichtigen), ebenso OLG Hamm FamRZ 2012, 897.
[8] Ebenso: OLG Hamm, Beschl. v. 16.9.2015 – 13 WF 146/15, BeckRS 2015, 16577; OLG Brandenburg, Beschl. v. 16.10 – 201515 WF 176/15, BeckRS 2015, 19992; OLG Brandenburg FamRZ 2013, 2009.

Anderer Auffassung: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 14.1.2015 BeckRS 2015, 03292; OLG Frankfurt, Beschl. v. 10.2.2015 – 5 WF 265/14, BeckRS 2015, 06312 = FamRZ 2015, 1749; OLG Oldenburg, Beschl. v. 3.3.2014 – 11 WF 29/14, BeckRS 2014, 10419 = MDR 2014, 1154; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 5.4.2013 – 6 WF 59/13, FamRZ 2014, 1227.

[9] Für Einbeziehung des Ki...

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