Rz. 61

Nachdem der Zeuge gemäß § 396 Abs. 1 und 2 ZPO im Zusammenhang ausgesagt und Nachfragen des Gerichts beantwortet hat, darf der Rechtsanwalt den Zeugen nach § 397 Abs. 2 ZPO unmittelbar befragen. Er braucht seine Fragen also nicht durch das Gericht vorlegen zu lassen; das Gericht muss sie aber nicht zulassen. Die Fragen müssen im Kontext mit dem Beweisthema stehen.

 

Rz. 62

Fragen an den Zeugen des Mandanten sind nur zu empfehlen, wenn zu erwarten ist, dass der Zeuge den Sachverhalt weiter erhellt. Wenn zu befürchten ist, dass sich dieser widerspricht oder seine Aussage relativiert, sollte auf zusätzliche Fragen verzichtet werden.

 

Rz. 63

Nach § 399 1. Hs. ZPO kann der Anwalt auch auf einen Zeugen seiner Partei verzichten. Diese Vorgehensweise kommt in Betracht, wenn man zwei oder mehr Zeugen für eine Beweisfrage benannt hat und bereits der erste Zeuge überzeugend ausgesagt hat. Allerdings kann der Gegner verlangen, dass der erschienene Zeuge vernommen wird, § 399 2. Hs. ZPO. Auf die Vernehmung eines fremden Zeugen kann stets verzichtet werden.

 

Rz. 64

Der gegnerische Zeuge ist zu befragen, wenn Anzeichen dafür vorliegen, dass der Zeuge unsicher ist, lediglich Schlussfolgerungen erklärt, Zweifel an seiner Wahrnehmungsfähigkeit bestehen oder seine Aussage aus anderen Gründen mit Fragen angreifbar ist. Keine Fragen sind an den vom Prozessgegner benannten Zeugen zu stellen, wenn zu befürchten ist, dass dieser seine Bekundung nur noch aussagekräftig bestätigt.

 

Rz. 65

Fragen an Zeugen müssen zulässig sein. Unzulässig sind:

Fragen, die gegen §§ 376, 383 Abs. 3 ZPO verstoßen (Fälle der Amtsverschwiegenheit und der Zeugnisverweigerung aus persönlichen Gründen),
Fragen, die nicht zum Beweissatz gehören; wegen der Prozesswirtschaftlichkeit und der Wahrheitsermittlung ist die Zugehörigkeit zur Beweisfrage i.d.R. weit auszulegen,
Ausforschungsversuche,
bereits beantwortete Fragen oder
Suggestivfragen (diese geben dem Zeugen eine bestimmte Antwort vor).
 

Rz. 66

Die Parteien können Zeugen auch "sistieren", also unangekündigt mitbringen. Das Gericht hört diese Zeugen im Rahmen einer anberaumten Beweiserhebung an, es sei denn, dies würde den anberaumten Verhandlungstermin zeitlich "sprengen". Dann muss das Gericht den sistierten Zeugen nicht vernehmen.

 

Rz. 67

Falls die andere Partei Zeugen "sistiert", kann dies möglicherweise die Prozessaussichten des Mandanten beeinträchtigen. Dann ist nach einer Möglichkeit zu suchen, gegen diese "Überraschungsstrategie" der anderen Partei anzugehen. Falls die andere Partei Zeugen unangekündigt zur Beweiserhebung mitbringt, kann eingewendet werden, dass auch über andere erhebliche Behauptungen Beweis erhoben werden müsste.

 

Beispiel

Ein sistierter Zeuge des Klägers soll den Unfallhergang schildern. Weil aber auch die Schadenshöhe an dem Kfz zwischen den Parteien umstritten ist, kann der Beklagte einwenden, dass dann auch noch darüber Beweis erhoben werden müsste, was zu einer Verzögerung des Rechtsstreits führen würde. Das Gericht braucht den Zeugen in diesem Fall nicht anzuhören.

Denkbar ist auch, den mitgebrachten Zeugen gezielt nach anderen beteiligten Personen zu befragen. Der Zeuge erklärt daraufhin eventuell, dass auch eine andere Person den Vorfall beobachtet hat. Diese kann dann unter Hinweis darauf, dass der Beweisantritt erst jetzt möglich ist, nachbenannt werden. Das Gericht müsste einen weiteren Termin anberaumen. Die Zwischenzeit kann genutzt werden, eigene Zeugen zu benennen.

 

Rz. 68

Eine Vereidigung von Zeugen wird ganz regelmäßig nicht vorgenommen. Die Rechtsanwälte/Parteien werden gefragt, ob sie auf eine Vereidigung verzichten. Diese Frage sollte bejaht werden: Hat ein Zeuge ersichtlich überzeugend ausgesagt, dann erübrigt sich eine Vereidigung von selbst. Sie ist nicht erforderlich. Hat er gelogen, ist es nicht im Sinne des Gerichts und kann auch nicht im Interesse der Parteien liegen, dass ein Meineid geschworen wird, welcher mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr belegt ist, also ein Verbrechen ist.[23] Der Fall, dass nur durch eine beeidete Aussage der erforderliche Beweis erbracht werden kann, ist äußerst selten und wird höchst wahrscheinlich nicht vorliegen.

[23] Die uneidliche Falschaussage ist ein Vergehen und hat eine Strafandrohung von drei Monaten Freiheitsstrafe zur Folge.

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