Rz. 45

In Betracht kommt auch die Fallgestaltung, dass der Versicherungsnehmer in einer Rechtsangelegenheit Vertretung wünscht, die Prüfung der Rechtslage aber zu dem Ergebnis prüft, dass von einer Rechtsverfolgung abzuraten ist. In diesem Fall stellt sich die Frage, ob auch Rechtsschutzdeckung für die "Abrategebühr" in Betracht kommt. Diese Frage wird nicht einheitlich beurteilt.[28]

 

Beispiel

Der bei einem Verkehrsunfall Geschädigte wünscht die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen aus einem Auffahrunfall, bei dem er selbst auf ein vorausfahrendes bzw. anhaltendes Fahrzeug aufgefahren ist. Zur Begründung macht der Geschädigte geltend, der Fahrer des vorausfahrenden Fahrzeuges habe, ohne dass dies verkehrsbedingt notwendig war, plötzlich abrupt abgebremst.

 

Rz. 46

In einem solchen Fall kommt in Betracht, die Rechtsschutzdeckung abzulehnen mit der Begründung, die beabsichtigte Rechtsverfolgung habe nicht hinreichend Aussicht auf Erfolg i.S.v. § 3a ARB 2010 (früher § 18 ARB 2008). Zur Bejahung oder Verneinung der Rechtsschutzdeckung für die sog. "Abrategebühr" werden verschiedene Aspekte angeführt.[29] Zutreffend weist Bauer[30] darauf hin, dass der Versicherungsnehmer nach Eintritt eines Versicherungsfalles, ohne eine Obliegenheit zu verletzen, den Anwalt unmittelbar aufsuchen kann. In einem solchen Fall kann es sich grundsätzlich nicht zu Lasten des VN auswirken, wenn der Anwalt von einer weitergehenden Interessenwahrnehmung abrät. Dem VN geht es darum, und dies ist Inhalt der Beauftragung des Anwaltes, dass er Klarheit über seine durch den Versicherungsfall tangierte Rechtsposition haben möchte. Zu klären ist zunächst, ob die Voraussetzungen der Rechtsschutzdeckung grundsätzlich gegeben sind. Entscheidend ist also, dass ein versichertes Risiko vorliegt und kein Ausschlusstatbestand zum Tragen kommt. Weiter ist erforderlich, dass der VN bzw. die mitversicherte Person in versicherter Eigenschaft betroffen ist innerhalb der Laufzeit des Vertrages. Sind diese Voraussetzungen gegeben, ist grundsätzlich Rechtsschutzdeckung für die Mandatierung des Anwaltes zu gewähren. Zutreffend weist Bauer[31] darauf hin, dass eine Beratung als erste Stufe nur den Erfolg haben kann, den Ratsuchenden quasi als "erste Stufe" über seine Rechtssituation zu informieren. In der weiteren Stufe ergibt sich dann die Frage einer weitergehenden Interessenwahrnehmung. Die Erfolgsaussicht im Beratungsgespräch ist mit der Gewinnung von Rechtsklarheit gleichzusetzen. Vergleichend ist hinzuweisen auf den Inhalt des Beratungshilfegesetzes. Die Gewährung von Beratungshilfe setzt auch keine Erfolgsaussicht voraus.[32] Im Übrigen dürfte auch die Klärung der Rechtssituation im Interesse der Rechtsschutzversicherung liegen, um das Kostenrisiko bei eventueller weiterer Interessenvertretung zu minimieren oder auszuschalten. Schließlich ist auch zu beachten, dass für den Versicherungsnehmer gem. § 17 ARB 2010 keine Obliegenheit besteht, bei Beauftragung eines Anwaltes zuvor eine Abstimmung mit der Rechtsschutzversicherung herbeizuführen.

 

Rz. 47

Im Ergebnis ist also die Erstattungsfähigkeit der Abrategebühr zu bejahen, weil die Beratung dazu dient, dem Versicherungsnehmer Klarheit über eine durch den Versicherungsfall tangierte Rechtslage zu gewinnen.[33]

[28] Harbauer/Bauer, ARB 2000, Vor § 18 Rn 16.
[29] Vgl. Harbauer/Bauer, ARB 2000, Vor § 18 Rn 16.
[30] Harbauer/Bauer, a.a.O.
[31] Harbauer/Bauer, a.a.O.
[32] Harbauer/Bauer, a.a.O.
[33] AG Prüm r+s 1994, 62; vgl. auch hierzu ausführlich Prölss/Martin, ARB 2008/II, § 4 Rn 36.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge