Rz. 18

Der Eigentümer darf als Bauherr ohne weitere (zivilrechtliche) Einschränkung Gebäude auf seinem Grundstück errichten, solange er sich innerhalb der Grenzen seines Grundstücks bewegt. Dabei können die verschiedensten Einwirkungen auf das Nachbargrundstück entstehen. Zu denken ist dabei z.B. an Lärm,[7] Staub[8] oder Erschütterungen.[9]

[8] OLG Karlsruhe v. 19.10.2000 – 19 U 24/00 – IBR 2001, 195.

aa) Vorbemerkung

 

Rz. 19

§ 906 BGB bezweckt den notwendigen Interessenausgleich von Grundstücksnachbarn im Hinblick auf bestimmte Einwirkungen, die von einem anderen Grundstück ausgehen, und stellt eine Begrenzung des Eigentums dar. § 906 BGB ist rechtstechnisch eine Einwendung. Die Norm regelt in unmittelbarer Anwendung die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Duldungspflicht bestehen kann. Der Gesetzestext des § 906 BGB lautet:

 

§ 906 BGB Zuführung unwägbarer Stoffe

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.

(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

(3) Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist unzulässig.

bb) Tatbestand

(1) Duldungsverpflichtete

 

Rz. 20

Duldungsverpflichtet ist zunächst der Eigentümer sowie der Grunddienstbarkeitsberechtigte (§§ 1004, 1027 BGB) und der Berechtigte sonstiger Dienstbarkeiten (§§ 1004, 1090 Abs. 2; 1027 BGB) sowie der Erbbauberechtigte. Darüber hinaus wird nach ständiger Rechtsprechung § 906 BGB auch auf den Besitzer, so z.B. den Mieter und Pächter, angewandt.[10]

(2) Begriff der von einem anderen Grundstück ausgehenden Einwirkung

 

Rz. 21

Die Einwirkungen müssen von einem anderen Grundstück ausgehen. § 906 Abs. 1 S. 1 BGB enthält einen Katalog, in welchem zwar keine konkrete Definition des Einwirkungsbegriffs vorgegeben, dieser Begriff jedoch in beispielhafter Weise veranschaulicht wird, sodass die Weiterentwicklung der Auslegung des § 906 BGB der Praxis vorbehalten bleibt. Bedeutsam für diese Betrachtung sind diejenigen Einwirkungen, die gerade bei Tiefbauarbeiten häufig auftreten: Erschütterungen, Vibrationen, Staub und Lärm. Insbesondere Erschütterungen treten als unregelmäßige einzelne Stöße (z.B. bei Sprengungen) oder als zumeist gleichförmige Schwingungen und Vibrationen auf, die insbesondere durch eingesetzte Maschinen und Baugeräte (Ramme, Rüttelverdichter, Bagger, Vibrationswalze, Schwingungsverdichter, Bohrgerät usw.) hervorgerufen werden können.

(3) Wesentlichkeit der Beeinträchtigung der Benutzung des Grundstücks

 

Rz. 22

Weiter fordert § 906 Abs. 1 S. 1 BGB eine "wesentliche Beeinträchtigung", damit dem Grundstückseigentümer ein Verbietungsrecht zusteht. Für die Frage der Wesentlichkeit kommt es maßgeblich auf das Empfinden eines "verständigen" Durchschnittsmenschen an, wobei die Natur und die Zweckbestimmung des betroffenen Grundstücks, z.B. ob das Grundstück als Industriegrundstück oder als Wohngrundstück genutzt wird, entscheidend sind.[11]

 

Rz. 23

Weiter ist bei der Bewertung der Wesentlichkeit ein so genannter objektiv-differenzierter Maßstab anzulegen, da es für die Frage der Wesentlichkeit nicht auf eine individuelle Person des mehr oder weniger empfindlichen Nachbarn ankommt, sondern auf das Empfinden eines objektiven Durchschnittsmenschen. Für die Beurteilung der Wesentlichkeit ist vor allem die Benutzung des beeinträchtigten Grundstücks in seiner konkreten Beschaffenheit zu untersuchen.

 

Rz. 24

Die Überschreitung von Grenzwerten von einschlägigen DIN- oder auch VDI-Normen können auf eine Wesentlichkeit hindeuten.[12] Mit dem BGH ist im Rahmen der Beweiswürdigung § 287 ZPO anzuwenden, um damit einerseits dem Geschädigten die ohnehin schwierige Nachweisführung zu erleichtern, andererseits aber auch eine übermäßige Haftung des Emittenten zu verhindern. Wenn aber die vorgegebenen Grenzwerte eingehalten werden und damit die Voraussetzung für die vorstehenden Ausführungen entfällt, dann muss konsequenterweise den Geschädigten die volle D...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge