Rz. 5

Zunächst wird der sicherlich in der Praxis erhebliche Einwand erhoben, der Bundesgerichtshof habe die Zeitvergütung ausdrücklich abgelehnt.[7] Tatsächlich hat sich der Bundesgerichtshof zuletzt im Jahr 2005 im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde mit der Frage eines Zeithonorars als Kriterium für die Angemessenheitsbestimmung im Rahmen des § 2221 BGB beschäftigt. Für den konkret entschiedenen Fall einer Erbteilsvollstreckung weist der BGH im Rahmen der Überprüfung der vorinstanzlichen Entscheidung darauf hin, dass bei der gegebenen Sachlage "die Heranziehung des Gesamtnachlasswertes als eines Gesichtspunkts unter anderen zur Ermittlung des angemessenen Honorars für den Erbteilsvollstrecker nicht als grundsätzlich verfehlt angesehen werden (kann)".[8]

 

Rz. 6

Eine Entscheidung gegen eine zeitabhängige Vergütung als eine Möglichkeit zur Bestimmung des angemessenen Honorars eines Testamentsvollstreckers gemäß § 2221 BGB wird man hierin richtigerweise nicht sehen können.[9] Die Frage der Berechnung der Testamentsvollstreckervergütung anhand des erbrachten Zeitaufwandes stellte sich gar nicht, da die Erblasserin eine konkrete Vergütungsanordnung in Höhe der "jeweils üblichen Honorare getrennt nach Konstituierung- und Verwaltungsgebühr" angeordnet hatte.[10] Zudem hat der Bundesgerichtshof die Veränderungen in der Testamentsvollstreckerlandschaft – vollständige Freigabe der geschäftsmäßigen Testamentsvollstreckung durch § 5 Abs. 2 Nr. 1 RDG für jedermann – noch nicht berücksichtigen können.[11] Vergleicht man zudem die Entwicklung in der Schweiz, deren Rechtsinstitut der Willensvollstreckung dem der deutschen Testamentsvollstreckung sehr ähnlich ist, so stellt man fest, dass dort eine Abkehr von wertbezogenen Pauschalvergütungen hin zu einer stundenbezogenen Vergütung erfolgte. Pauschale Vergütungsmodelle müssen einer Schattenrechnung auf Stundenbasis standhalten.[12] Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass stetig steigende Nachlasswerte zu unvertretbar hoch erscheinenden Vergütungen für Testamentsvollstrecker führen können.[13]

 

Rz. 7

In der veröffentlichten instanzgerichtlichen Rechtsprechung wird die Frage der Zulässigkeit einer Zeitvergütung bei fehlender letztwilliger Vergütungsanordnung in Anwendung der vom Bundesgerichtshof[14] aufgestellten Kriterien bejaht.[15] In der Literatur werden hiervon teilweise abweichende Auffassungen vertreten.[16]

 

Rz. 8

 

Stellungnahme

Die Kritiker der Zeitvergütung verweisen zur Begründung ihrer Auffassung häufig darauf, dass die Zeitvergütung die Verantwortung des Testamentsvollstreckers und sein Haftungsrisiko nicht so gut abbilden könne, wie die herkömmliche Vergütungsbemessung anhand von Werttabellen. Insbesondere die Haftung hänge nicht vom Zeitaufwand, sondern vom Wert des dem Testamentsvollstrecker anvertrauten Vermögens ab. Dem kann schon im Ansatz nicht gefolgt werden.

Zum einen lässt sich das Haftungsrisiko durch eine entsprechende Versicherung des Testamentsvollstreckers weitgehend ausschließen. Erst recht kann das Haftungsrisiko allenfalls noch eine untergeordnete Rolle spielen, wenn man – richtigerweise – die letztendlich zumindest in erheblichem Maße auch der Sicherung des Nachlasses dienenden Versicherungsprämien dem Aufwendungsersatzanspruch des Testamentsvollstreckers unterwirft. Überdies hat der Bundesgerichtshof in seiner grundlegenden Entscheidung vom 28.11.1962,[17] in der er verschiedene Kriterien aufgestellt hat, die für die Vergütung eines Testamentsvollstreckers maßgeblich sind, ausdrücklich die geleistete Arbeit genannt, hingegen nicht das Haftungsrisiko. Zum anderen verkennt die Gegenauffassung, dass die Fehlerrate des individuellen Testamentsvollstreckers nicht dadurch steigt, dass das von ihm verwaltete Festgeldkonto sich statt auf 100.000 EUR auf 1 Million EUR beläuft. Haftungsrisiken entstehen typischerweise durch unüberlegte und nicht ausreichend abgewogene Entscheidungsprozesse, anders formuliert, wenn nicht genügend Zeit zur Verfügung steht oder investiert wird. Damit spricht das Ziel, den Nachlass vor unüberlegten Handlungen des Testamentsvollstreckers zu bewahren, eher für als gegen eine Zeitvergütung. Wer die Zeit zum Nachdenken vergütet erhält, wird eher nachdenken, als derjenige, der seine Vergütung auch ohne Nachdenken erhält. Überdies wird vom eigentlichen Kern der Diskussion abgelenkt. Es geht darum, die Zeitvergütung als eigenständige Form der Vergütungsbemessung gemäß § 2221 BGB im gleichen Maße zu etablieren, wie die tradierte Wertvergütung. Und hiergegen gibt es keinen wirklich ernsthaften Einwand.

[7] Lenzen, in: Frieser, Fachanwaltskommentar Erbrecht, § 2221 BGB Rn 11; J. Mayer, in: Mayer/Bonefeld, Testamentsvollstreckung, hat seine in der 3. Aufl. 2011, § 21 Rn 15 (S. 273) vertretene Auffassung in der 4. Aufl. 2015 § 21 Rn 25 revidiert.
[8] BGH, Beschl. v. 24.10.2004 – IV ZR 243/03, zit. nach juris, Rn 10.
[9] Wie hier auch Kraft, ZEV 2019, 678 (682).
[10] Zimmermann, Zur Höhe der Testamentsvollstreckervergütung: BGH-Rechtspre...

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