Rz. 214

Probleme können sich in der Praxis dann ergeben, wenn der Unterhaltsberechtigte nach einem Auskunftsverlangen seinen Anspruch beziffert, dann aber später einen noch höheren Unterhaltsanspruch rückwirkend verlangt.

 

Rz. 215

 

Beispiel

Der Anwalt der Ehefrau fordert den Ehemann mit Schreiben vom 15.1.2022 – zugegangen am 18.1.2022 – zur Auskunft auf, da er Ehegattenunterhalt geltend machen will. Nachdem die Unterlagen ihm am 5.2.2022 zugegangen sind, errechnet er einen monatlichen Unterhalt von 500 EUR, den er mit Schreiben vom 8.2.2022 – zugegangen am 12.2.2022 – geltend macht.

Nachdem keine Zahlung erfolgt, reicht er unter dem 14.3.2022 bei Gericht einen Zahlungsantrag ein, der dem Gegner am 26.3.2022 zugestellt wird. In diesem Antrag verlangt er jetzt nach einer Neuberechnung 700 EUR. Die Forderung ist auch in dieser Höhe begründet.

Fraglich ist, ob er diesen Betrag auch rückwirkend – ggf. von welchem Zeitpunkt an – durchsetzen kann.

Stellt man auf den Zeitpunkt des Auskunftsverlangens ab, dann wäre gem. § 1613 BGB rückwirkend zum 1.1.2022 durch das am 15.1.2022 zugegangene Auskunftsverlangen Verzug eingetreten, und zwar in Höhe des später gerichtlich zuerkannten Betrages – also in Höhe von 700 EUR mtl.

 

Rz. 216

Der BGH hat hierzu aber klargestellt, dass es § 1613 Abs. 1 S. 1 BGB es grundsätzlich nicht erlaubt, einen nach dem ursprünglichen Auskunftsbegehren bezifferten Unterhaltsanspruch nachträglich betragsmäßig zu erhöhen.[427]

Zwar berechtigt § 1613 Abs. 1 S. 1 BGB den Unterhaltsgläubiger für die Vergangenheit von dem Zeitpunkt an Unterhalt zu fordern, zu welchem der Verpflichtete zur entsprechenden Auskunftserteilung aufgefordert worden ist. Der Wortlaut der Norm verbietet eine rückwirkende Erhöhung nach einer zwischenzeitlich erfolgten Bezifferung des Unterhalts nicht. Die Norm ist jedoch einschränkend auszulegen. Ab Zugang des Auskunftsbegehrens wird der Unterhaltspflichtige vom Gesetzgeber nicht mehr als schutzwürdig angesehen, da er von nun an konkret damit rechnen muss, auf Unterhalt in Anspruch genommen zu werden und hierzu gegebenenfalls Rückstellungen bilden kann. Wenn aber der Unterhaltsberechtigte seinen Unterhaltsanspruch nach der erteilten Auskunft beziffert hat, ohne sich zugleich vorzubehalten, den Anspruch gegebenenfalls im Hinblick auf noch nicht erfolgte Auskünfte zu erhöhen, braucht der Unterhaltspflichtige nur noch mit einer Inanspruchnahme in der bezifferten Höhe zu rechnen. Wäre es dagegen zulässig, dass später noch höhere Forderungen für die Vergangenheit wirksam geltend gemacht werden, hätte man dem Schuldner genau das Risiko unkalkulierbar angewachsener Rückstände aufgebürdet, vor dem ihn § 1613 BGB gerade schützen will. Zudem ist nicht gerechtfertigt, den Unterhaltsberechtigten, der seine Forderung nach vorangegangener Auskunft beziffert hat, besser zu stellen als den Unterhaltsberechtigten, der seine Unterhaltsforderung sogleich beziffert hat. Für Letzteren begründet § 1613 Abs. 1 BGB nur in Höhe des bezifferten Betrages Verzug, so dass eine nachträgliche Erhöhung des Anspruchs rückwirkend nicht möglich ist.

 

Rz. 217

Für den Fall bedeutet dies:

Das Auskunftsverlangen vom 15.1.2022 hat Verzug ausgelöst rückwirkend zum 1.1.2022
Die Höhe des in Verzug gesetzten Betrages wird durch die Zahlungsaufforderung vom 8.2.2022 konkretisiert auf mtl. 500 EUR.
Erst ab Rechtshängigkeit des erhöhten Antrages können mtl. 700 EUR rückwirkend festgesetzt werden.

Zitat

OLG Saarbrücken v. 22.6.2021 – 6 UF 167/20[428]

Der Antragsgegner ist zwar durch das außergerichtliche Schreiben zur Auskunft über seine Einkünfte und sein Vermögen aufgefordert worden. Die Wirkungen des Auskunftsverlangens treten nur in der Höhe ein, in der der Unterhalt zum Zeitpunkt des – damaligen – Auskunftsverlangens geschuldet war.

Es erfasst grundsätzlich keine späteren Erhöhungen des geltend gemachten Anspruchs, sei es wegen Einkommenssteigerungen oder eines Alterssprunges

 

Praxistipp

Werden zum Jahresbeginn höhere Tabellensätze in der Düsseldorfer Tabelle festgelegt, steigt zwar dadurch der Unterhaltsanspruch des Kindes.

Wird später im Laufe des Jahres entsprechend höherer Unterhalt geltend gemacht, so ist dies rückwirkend nur dann durchsetzbar, wenn der Unterhaltspflichtige auch entsprechend in Verzug gesetzt worden ist.

Der Unterhaltspflichtige gerät durch die geänderte Festsetzung der Tabellenbeträge nicht automatisch in Verzug!

Entsprechendes gilt auch dann, wenn sich der Unterhaltsanspruch des Kindes erhöht, wenn es aufgrund eines Alterssprunges in eine höhere Tabellenspalte rutscht. Auch hier muss der Unterhaltspflichtige zu höheren Zahlungen aufgefordert werden, um später entsprechende Rückstände einfordern zu können.

Zitat

OLG Brandenburg v. 7.5.2013 – 10 UF 1/13[429]

Eine rückwirkende Geltendmachung von höherem Unterhalt ist möglich, wenn der Unterhaltspflichtige zur Auskunft und Zahlung von Unterhalt aufgefordert worden ist, in diesem Schreiben aber hinreichend deutlich gemacht wurde, dass die Zahlung von Mindestunterhalt...

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