Rz. 253

Die Wiedereinsetzung wird nur gewährt, wenn die Partei ohne ihr Verschulden trotz Beachtung der erforderlichen Sorgfalt die Frist nicht einhalten konnte. Im zivilgerichtlichen Verfahren muss sich eine Partei das Verschulden ihres Bevollmächtigten (i.d.R. also ihres Rechtsanwalts) zurechnen lassen.

 

Rz. 254

Das Verschulden richtet sich hierbei nach § 276 Abs. 2 BGB. Es werden durch die Gerichte strenge Anforderungen an die Organisationsstrukturen einer Anwaltskanzlei gestellt. Eine Fristversäumung ist dann von dem RA verschuldet, wenn sie für einen anderen – besser organisierten – RA abwendbar gewesen wäre. Generell kann festgestellt werden, dass ein Ausnutzen der Frist bis zum Tage des Fristablaufs es deutlich schwieriger macht, eine unverschuldete Fristversäumnis nachzuweisen, als ein Organisationsablauf, in dem ein Fristablauf nicht am letzten Tag der Frist notiert ist.

 

Rz. 255

 

Praxistipp:

Es wird zunächst für Sie ungewöhnlich sein:

Notieren Sie die Fristen anders. Die Monatsfristen notieren Sie als Notfrist zweimal – nämlich nach vier Wochen – und am tatsächlichen Fristablauf als "Notfrist". Erledigt wird die Frist spätestens nach vier Wochen. Der tatsächliche Tag des Fristablaufs dient nur noch als Kontrolltag. Es wird nochmals überprüft, ob Empfänger, Zugang u.Ä. sichergestellt werden kann. Sie müssen bei der Änderung der bisherigen Fristennotierung Rücksprache mit dem RA halten. Diese Vorgänge können Sie nur in Absprache ändern. Mit dieser Vorgehensweise (2-Wochenfrist = zehn Tage und die zwei Wochen) verhindern Sie, dass bspw. die Technik Ihnen um 23.55 Uhr am Tag des Fristablaufs einen Strich durch die Rechnung macht (ein entsprechendes Urteil des BGH [Urt. v. 15.3.2000 – VIII ZR 217/99, NJW-RR 2000, 1594] finden Sie tatsächlich, das Fax des RA ging vollständig erst um 00.02 Uhr ein – damit zu spät, der Wiedereinsetzungsantrag wurde abgelehnt). Selbstverständlich klappt eine solche abweichende Fristenkontrolle nur, wenn alle Mitarbeiter und Anwälte sich beteiligen und daran halten. Nach dieser Methode könnten die spontan angesetzten Endlosdiktate kurz vor Feierabend der Vergangenheit angehören.

 

Rz. 256

Ob ein Organisationsverschulden vorliegt, hängt vom Einzelfall ab. Wie Sie ein Organisationsverschulden vermeiden können, können Sie in der juristischen Fachliteratur nachlesen. Ich empfehle, dass Sie sich mit der Rechtsprechung des BGH zu diesem Thema intensiv beschäftigen. Der BGH gibt in diversen Entscheidungen (s. § 7 Rdn 244) detailliert vor, welche Anforderungen an die Möglichkeit der Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu stellen sind.

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